Wir beleuchten, warum Die Siedler Online und Co auch in Zeiten von Cloud Gaming nicht obsolet werden.
Spiele-Streaming im Browser wird Browsergames nicht verdrängen
Die Spielebranche ist stetig im Wandel. Nicht nur, dass sich die Spiele selbst ständig weiterentwickeln, indem etwa ihre Grafik von Jahr zu Jahr besser wird. Die Plattformen, auf denen gezockt wird, werden alle paar Jahre gegen bessere Hardware ausgetauscht und auch die Art und Weise, wie die meisten Spiele zu uns kommen, ist heute nicht mehr so wie noch zum Beispiel in den frühen 2000ern.
Was bei Browsergames bereits seit Jahren gang und gäbe ist, soll sich bald auch für komplexe AAA-Titel im PC- und Konsolenbereich durchsetzen: Cloud Gaming. Die Vision: Auch diese Spiele müssen nicht mehr heruntergeladen und lokal installiert werden. Stattdessen laufen sie auf Hardware, die ganz woanders steht, und werden zu uns auf den heimischen Bildschirm gestreamt. Was bei Filmen, Serien und Musik dank Netflix, Spotify und Co längst zum Standard geworden ist, steckt im Bereich der Videospiele noch in den Kinderschuhen. Der Weg weist aber klar in Richtung einer Zukunft, in der die meisten Leute Spiele per Cloud Gaming konsumieren. Die Technik ist bereits da und funktioniert, eine ausreichend schnelle Internetleitung vorausgesetzt, auch schon ganz gut. Google Stadia und Xbox Cloud Gaming ermöglichen es längst, aufwendige Titel wie Destiny 2 oder das jüngst für PC und Xbox erschienene Rennspiel Forza Horizon 5 direkt im Browser zu zocken.
Was passiert, wenn sich Cloud Gaming durchsetzt?
Nun stellt sich die Frage: Wenn man so einfach solch hochwertige Spiele spielen kann, ohne dafür erst stundenlang etwas herunterladen und installieren zu müssen, was zig Gigabyte an Speicherplatz frisst, warum sollte man dann noch Browsergames zocken? Klar, ein Die Siedler Online ist ein schönes, idyllisches Aufbauspiel, aber es wirkt halt auch wie etwas, das schon vor 10 Jahren als "normales PC-Spiel" veraltet gewesen wäre.
Nehmen wir mal an, dessen Hersteller Ubisoft würde auf den Cloud-Gaming-Zug aufspringen und ihr könntet irgendwann Anno 1800 im Browser spielen. Das ist grafisch viel anspruchsvoller, hat keine Wartezeiten, die für viele Browsergames üblich sind, und bietet mehr Tiefgang. Wenn dieses Spiel eines Tages gestreamt werden kann, könnte Ubisoft Die Siedler Online doch eigentlich einstellen, weil es dann obsolet ist, oder?
Ein Blick zurück
Ganz so einfach ist es dann doch nicht. Browsergames wurden nicht aus dem Grund erfunden, weil es in den Neunzigern nicht möglich war, die Blockbuster der damaligen Zeit, also Spiele für den PC, die PlayStation oder das N64, zu streamen – unabhängig davon, dass Sony und Nintendo wohl kaum ein Interesse daran gehabt hätten, dass man deren Exklusivtitel hätte spielen können, ohne die jeweilige Konsole kaufen zu müssen. Die Entwickler erkannten eben das Potenzial des Internets. Es wurde möglich, Online-Spiele zu produzieren, in denen Spieler gemeinsam Abenteuer erleben konnten und das sogar in großen Spielwelten, Stichwort Ultimate Online.
Nun hatte aber eben nicht jedes Team das Budget, so ein MMO auf die Beine zu stellen. Ein Browsergame war in vielen Fällen wesentlich kostengünstiger zu entwickeln und daran hat sich bis heute nichts geändert, obwohl natürlich auch in diesem Bereich der Branche die Entwicklerstudios gewachsen sind. Nur zur Info: InnoGames und Goodgame Studios gehören zu den größten Arbeitgebern im Bereich Computerspiele, die wir in Deutschland haben (danke, Gameswirtschaft). Dennoch werden deren Spiele, selbst die, die sie in Zukunft noch entwickeln werden, nicht annähernd das Budget haben wie ein Age of Empires 4 von Microsoft.
Der Markt der Browsergames hat sich auf ganz natürliche Art entwickelt. Angefangen hat alles mit Projekten von Studenten oder Leuten, die bereits einem festen Job nachgingen, aber eben in ihrer Freizeit am eigenen Spiel bastelten. Firmen wie Bigpoint und InnoGames wurden nicht gegründet, weil sich Leute gesagt haben: "So, wir machen von jetzt an Browsergames und verdienen damit Geld." Die Unternehmen sind jünger als die ersten Spiele ihrer Gründer. InnoGames gibt es seit 2007, Die Stämme ging aber schon fünf Jahre zuvor an den Start. Browsergames sind in ihrem Ursprung kein Produkt einer Branche, die händeringend nach einer Marktlücke gesucht hat. Sie sind entstanden, weil irgendwer die Idee hatte, dass es doch bestimmt ganz nett wäre, wenn man auf einer Webseite etwas zocken könnte, vielleicht sogar mit anderen Leuten gemeinsam.
Wir können uns noch gut daran erinnern, wie wir OGame entdeckten. Es war damals einfach cool, ein eigenes Weltraumimperium in einer Galaxie, in der auch Hunderte andere Spieler aktiv waren, aufzubauen, auch wenn man nichts davon wirklich auf dem Bildschirm gesehen hat. Es hatte seinen ganz eigenen Reiz, ersetzte aber auch nicht die normalen PC- und Konsolenspiele.
Warum wir Browsergames spielen
Das führt uns zum wichtigen Punkt, warum wir der Meinung sind, dass auch in Zeiten von Cloud Gaming Browsergames nicht aussterben werden: Man spielt sie nicht, weil man keine Lust hat, irgendwas herunterzuladen und zu installieren. Bei Filmen mag es das Argument geben, dass es einfach bequemer ist, sie daheim zu streamen, anstatt ins Kino zu gehen. Aber wenn man nun etwa Forge of Empires spielt, dann ja nicht, weil man zu faul ist, sich Civilization oder Age of Empires herunterzuladen, sondern weil man eben Forge of Empires spielen möchte. Wir reden wir von völlig unterschiedlichen Spielen (auch wenn es ein paar Ähnlichkeiten geben mag) mit unterschiedlichen Zielgruppen.
Um bei unserem Beispiel vom Anfang zu bleiben: Wenn nun also Ubisoft ins Cloud-Gaming-Geschäft einsteigen würde und man Anno 1800 per Stream im Browser zocken könnte, würde es immer noch Leute geben, die Die Siedler Online spielen. Das eine Spiel ist kein Ersatz fürs andere und umgekehrt. Klar, der eine oder andere, der nie einen dicken Gaming-Rechner oder eine Konsole besessen hat, könnte in Zukunft den Weg zu Titeln finden, die zuvor solche Hardware vorausgesetzt haben. Aber das kollektiv alle Spieler von Browsergames dann damit aufhören, sie zu zocken, ist Quatsch. Nur weil jemand gerne Farmerama spielt, heißt das noch lange nicht, dass derjenige in ein paar Jahren stattdessen den Landwirtschafts-Simulator per Cloud spielen wird, weil der dann ja endlich auf die bequemste Art konsumierbar ist, was vorher nie ging.
Klar, je weiter sich Cloud Gaming verbreitet, je besser die Technologie und je schneller das Internet wird (wird hoffentlich auch in Deutschland irgendwann flächendeckend passieren), desto mehr werden Kritiker von Browsergames denken: "Nun, also jetzt versteh ich erst recht nicht mehr, warum manche Leute immer noch diesen billigen Browsergames-Kram spielen, wenn es doch so viel besseres Zeug gibt." Aber wie heißt es so schön? Geschmäcker sind verschieden. Browsergames spielt man nicht in Ermangelung an Alternativen, sondern weil man irgendwie auf sie aufmerksam geworden ist, neugierig war, sie ausprobiert hat und dann dabei geblieben ist – genau wie bei jedem anderen Spiel auch. Und nur weil das eine bequemer wird, wird das andere ja nicht plötzlich weniger Spaß machen.