In der bunten Welt der Onlinespiele ist die Umstellung einst kostenpflichtiger Titel auf ein Gratis-Modell schon lange keine Neuheit mehr. Der Übergang hin zu free-to-play gilt in der Branche inzwischen als gängige Praxis, die besonders eingefleischte Zocker nicht mehr überrascht. Während die Macher von Star Wars - The Old Republic bei dieser Angelegenheit weniger erfolgreich waren, profitierten Games wie Dungeons and Dragons Online oder Herr der Ringe Online von dem Wechsel zum kostenlosen Modell. Als Bluehole Studios letzten Sommer die Tore zu Tera öffnete, stimmte das viele Genre-Fans skeptisch - und das nicht ohne Grund. Tatsächlich dauerte es nicht einmal ein Jahr, bis das Rollenspiel die monatlichen Gebühren hinter sich ließ. Um uns von der kostenfreien Version des Fantasy-MMORPGs zu überzeugen, haben wir das Spiel getestet und die wundersame Welt von Taborea auf eigene Faust erkundet.
Tera Test: Déjà-vu mit spitzohrigen Nackedeis
Laszive Elfen und kleine Mädchen
Bevor das Abenteuer beginnt, erstellen wir eine Figur. Zur Auswahl stehen sieben Rassen, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Neben bekannten Gesichtern wie Mensch, Elf oder Dämon erwarten uns in Tera auch Mädchen mit Hasenohren, kuschelige Hunde oder kolossale Steinmenschen. Hier sticht sofort ins Auge, dass die Entwickler auf nackte Tatsachen setzen - unabhängig davon, welches Geschlecht wir wählen. Davon lassen wir uns aber nicht ablenken und entscheiden uns für die Hochelfen, weil wir spitze Ohren toll finden. Weiter geht's mit der Klassenauswahl.
In Form von Berserker, Mystiker und Co. treffen wir auf die üblichen Verdächtigen: Wer an den klassischen Archetypen - Krieger, Magier und Bogenschütze - interessiert ist, wird auch bei Tera fündig. Weil wir unsere Mitspieler gerne mit Heilung versorgen, erstellen wir einen Priester. Anschließend verpassen wir unserem blassen Schönling noch eine schicke Frisur und starten die Reise ins Unbekannte. Wählen wir das optionale Tutorial, werden wir in die grundlegende Kampfmechanik eingeführt. Pluspunkte gibt's dafür, dass sich das Intro-Video per Knopfdruck überspringen lässt. Das ist - zumindest in der deutschen Sprachausgabe - eine Erleichterung. Die Synchronisation ist nämlich ungefähr so packend, wie ein Zahnarztbesuch Spaß macht.
Langweilige Quests trotz innovativem Kampfsystem
Nach einer kurzen Einführung in die Hintergrundgeschichte stürzen wir uns in den Kampf. Im Namen der Föderation konfrontieren wir feindliche Streitkräfte und erlegen magische Tiere. Für Zocker der alten Garde wirkt das Kampfsystem auf den ersten Blick vermutlich etwas ungewöhnlich, erweist sich aber im Vergleich zu anderen MMORPGs schnell als nette Abwechslung. Unsere Angriffe richten sich nämlich nicht an ein fest ausgewähltes Ziel, sondern müssen gut gezielt sein. So befindet sich - ähnlich wie in einem Shooter - in der Mitte des Bildschirms ein Fadenkreuz, das unsere Trefferquote bestimmt. Während das für Nahkämpfer actionreiche Schlachten bedeutet, haben wir als Priester den Nachteil, dass man für jeden Zauber extra stehen bleiben und zielen muss. Das unterbricht das flüssige Gameplay und sorgt besonders in der Hitze des Gefechts für frustierende Momente. Neue Fähigkeiten erlernen wir übrigens nicht automatisch, sondern werden uns von einem NPC beigebracht. Welche Zauber uns zur Verfügung stehen, ist von der bisher erreichten Stufe abhängig. Im späteren Spielverlauf merken wir, dass sogenannte Glyphen erst ab Stufe 20 für individuelle Talente sorgen.
Für erledigte Quests winken Gold, Erfahrung und ab und zu auch ein brauchbares Item. Monster töten und Gegenstände sammeln? Kein Problem! Zu Beginn sind wir noch motiviert und zaubern, kloppen und looten, was das Zeug hält. Bis wir auf einen NPC treffen, der uns vier (!) Mal in Folge in die Wildnis schickt, um Baumwesen zu töten oder ihre Essenzen zu sammeln. Wie wir feststellen müssen, ändert sich das auch nicht. Sich wiederholende Aufgaben und monotone Kill-Quests erwarten uns, egal welche Zone wir erkunden. Zehn Kobolde hier, zwölf Untote da: Es dauert nicht lange, bis uns die Eintönigkeit der Missionen langweilt.
Schnell wird klar, dass lineare Quest-Reihen unseren Bewegungsradius einschränken und wir überhaupt keinen Grund dazu haben, abgelegene Ecken zu erforschen. Jede Aufgabe ist entweder als Sternchen, Ruf- oder Fragezeichen auf der Karte markiert. So wissen wir jederzeit, wohin uns das Abenteuer führt. Das beschleunigt zwar unseren Fortschritt, macht die Story hinter einer Mission aber völlig uninteressant. Immerhin ist das Angebot groß und wir haben die Möglichkeit, zwischen Handlungs-, Regions-, Gilden und Tagesquests zu wählen.
Dungeons und PvP-Schlachten sorgen für Abwechslung
Dass Tera auf dem Pinzip der Holy Trinity basiert, macht sich spätestens in Dungeons bemerkbar. Um besonders harte Bossmonster zu erlegen und Loot abzustauben, schließen wir uns mit anderen Spielern zusammen und heilen, so gut wir können. Bei den dunklen Höhlen handelt es sich nämlich um eigenständige Zonen, die unser Können zusätzlich auf die Probe stellen. Blocken, Ausweichen und Crowd Control: Während das Solospiel normalerweise keine große Herausforderung darstellt, kommt das vielfältige Kampfsystem hier erst richtig zur Geltung. Was das Überleben der Mitspieler betrifft, erweist sich unser Priester als unentbehrliches Gruppenmitglied.
Wer computergesteuerte Monster lieber hinter sich lässt und das Plätten gegnerischer Spieler bevorzugt, der ist im Battleground gut aufgehoben. Hier bestehen die PvP-Inhalte nicht nur aus dem üblichen Gemetzel, sondern umfassen außerdem ein vielseitiges Politiksystem. Würden wir eine Gilde erstellen, könnten wir uns als Bürgermeister aufstellen lassen oder als Exarch über die Welt von Taborea regieren. Gewählt wird, wer die meisten Stimmen erhält. Dementsprechend ist der allgemeine Chat - wie wir am eigenen Leib erfahren müssen, mit Leuten gefüllt, die für ihre eigene Allianz werben. Aber genug von der Bürokratie! Auf dem Schlachtfeld treten unterschiedliche Gruppen gegeneinander an und kämpfen im Gildenkrieg für den Sieg. Was passiert, wenn bis zu 30 Spieler in der Arena aufeinandertreffen, zeigt der Spielepublisher Gameforge (Runes of Magic, Aion) in dem folgenden Video:
Eine Fantasy-Welt in hochwertiger Grafik
Wenn wir in Sachen Gameplay über diverse Schwachstellen hinwegsehen, ist Tera ein wirklich hübsches Spiel. Während die Oberwelt rauschende Wasserfälle und glitzernde Regenbögen im Überschwang zu bieten hat, sind auch die etwas düsteren Gebiete schön anzusehen. Wie beeindruckend die Grafik im Endeffekt wirklich ist, ist leider von der Leistung des jeweiligen Computers abhängig. Zauberpartikel, Sonnenstrahlen und optische Feinheiten kommen erst dann zur Geltung, wenn man die Einstellungen auf das Maximum hochschraubt, und da macht eindeutig nicht jedes Gerät problemlos mit.
- viele Quests zur Auswahl...
- hübsche Grafik...
- innovatives Kampfsystem...
- stimmungsvolle Atmosphäre...
- ... aber trotzdem immer dasselbe
- ... aber nicht für jeden PC geeignet
- ... aber verbesserungswürdig
- ... aber enttäuschende Synchronisation
Fazit
Leider setzt das Online-Rollenspiel auf gewisse Features, die eindeutig auf den asiatischen Markt ausgelegt sind und aufgrund kultureller Unterschiede bei uns eher fehl am Platz wirken. Abgesehen davon, dass uns die Rasse der Elin - also kleine Mädchen in kurzen Röckchen - eher nerven als begeistern, langweilen monotone Quests und dämpfen den Spielspaß. Wer will denn mehrmals losrennen, um wieder und wieder dieselben Mobs zu töten? Als Lichtblicke erweisen sich das originelle Politiksystem und Dungeons, die für etwas Abwechslung sorgen... angenommen, man findet die passenden Spieler. Pluspunkte gibt's außerdem für das actionreiche Kampfsystem, stimmungsvolle Musik und die hübsche Grafik. Monatliche Gebühren hätten wir dafür nicht gezahlt, aber seit der Umstellung zu Free-to-Play ist Tera durchaus einen Blick wert.