Ist Warface ein Pflichttitel für Shooter-Fans oder nur eines von vielen Gratis-Ballerspielen? Das klären wir in unserem Test.
Test: Der AAA-Shooter im Free-to-Play-Bereich?
Crytek war einst der Vorzeigeentwickler aus Deutschland. Mit dem Ego-Shooter Far Cry von 2004 gelang dem Studio, das damals noch in der kleinen Stadt Coburg ansässig war, direkt mit seinem Erstlingswerk ein großer, internationaler Erfolg. Danach folgten die drei Crysis-Spiele, die aber nicht wirklich Verkaufshits waren. Irgendwann entschloss sich Crytek dazu, den Fokus auf Free-to-Play-Spiele zu legen.
Der erste eigene Vertreter mit diesem Geschäftsmodell ist Warface – bis heute der einzige kostenlos spielbare Titel von Crytek. Denn das MOBA Arena of Fate wird wohl nie erscheinen und Hunt: Horrors of the Gilded Age verschwand nach der Enthüllung in der Versenkung und wurde dieses Jahr als Hunt: Showdown neu angekündigt. Warface wiederum gibt es schon seit Jahren und ist in dieser Zeit gewachsen. Wir haben uns angeschaut, was der Ego-Shooter heutzutage alles zu bieten hat.
Vielfalt ist Trumpf
Im Kern ist Warface ein ganz klassischer Multiplayer-Shooter, der mit seinem Angebot an Spielmodi stark an die „Call of Duty“-Reihe erinnert. Hier zeigt sich auch schon eine der Stärken des Spiels: Warface bietet eine schöne Vielfalt und noch dazu reichlich Umfang. Das gilt schon dann, wenn wir nur die Versus-Modi in Betracht ziehen. Neben dem klassischen „Team Deathmatch“ und „Free for All“, wo ihr einfach nur feindliche Spieler abschießt und dafür Punkte kassiert, gibt es zielbasierte Varianten wie zum Beispiel „Sturm“. Hier übernimmt ein Team die Rolle der Angreifer, die drei strategische Punkte erobern müssen. Die andere Partei muss jene Ziele verteidigen.
In „Zerstörung“ wiederum gibt es nur einen Kontrollpunkt, der erobert werden muss. Gelingt euch das, dürft ihr einen Luftangriff auf die feindliche Basis einleiten. Das Team, das zuerst drei Luftschläge ordert, gewinnt. Des Weiteren gibt es den Modus „Bombe legen“, der genauso funktioniert wie das klassische Counter-Strike-Prinzip. Allein im PvP ist in Warface also viel Abwechslung geboten, zumal es ein breites Aufgebot an unterschiedlichen Karten gibt. Mal kämpft ihr in einem typischen amerikanischen Vorort, mal auf dem Gelände eines Motels oder in einer großen Lagerhalle voller Container. Die Maps sind solide gestaltet und bieten stets die Möglichkeit, Gegner zu flankieren. Das eigentliche Shooter-Gameplay funktioniert gut und macht Spaß, die Waffen könnten sich aber ruhig etwas wuchtiger anfühlen.
Die Welt am Abgrund
Wenn ihr mal keine Lust auf den Kampf gegen menschliche Kontrahenten habt, könnt ihr euch mit Freunden verbünden und gegen KI-Feinde antreten. Warface bietet nämlich einen Koop-Modus mit zahlreichen Missionen. Hier kommt die Hintergrundgeschichte zum Tragen. Der Shooter spielt in einer nahen Zukunft, in der nicht mehr die Staaten, sondern eher reiche Einzelpersonen die Macht haben. Sie befehligen die Blackwood-Einsatzkräfte: Söldner, die für Geld alles und jeden umbringen. Doch eine kleine Gruppe US-Soldaten hält dagegen, die namensgebende Warface-Einheit.
In den Koop-Missionen nehmt ihr den Kampf mit den Blackwood-Söldnern auf und ballert euch durch lineare Levels. Hier verschenkt Crytek jedoch viel Potenzial. Eine Geschichte wird nicht wirklich erzählt und auch spielerisch wird nicht so viel geboten. In der Regel schießt ihr Horden von KI-Feinden über den Haufen, die nicht unbedingt die Weisheit mit Löffeln gegessen haben. Daher spielt Teamwork keine so große Rolle. Da wäre deutlich mehr drin gewesen.
Wer belohnt werden will, muss arbeiten – viel arbeiten
Letztendlich spielt ihr den Koop-Modus vor allem deshalb, um Kronen zu sammeln, die ihr wiederum im In-Game-Shop von Warface investiert, um bessere Waffen und andere Ausrüstungsgegenstände zu mieten. Die Kronen sind nur eine von mehreren Währungen. Es gibt auch noch die Warface-Dollars, die ihr für eure Leistungen im PvP-Teil erhaltet, und die Kredits, die ihr wiederum für echtes Geld kaufen müsst. Doch keine Bange: Es gibt mehr als genug Waffen und sonstige Items, die ihr nicht bloß mit der Premiumwährung freischalten könnt.
Allerdings kann es lange dauern, bis ihr das virtuelle Geld beisammenhabt, um euch eine neue Knarre leisten zu können. Manche Schießeisen sind zudem an bestimmte Ränge gebunden. Booster, dank denen ihr mehr Erfahrungspunkte oder Dollars verdient, sind daher sehr verlockend, kosten aber Kredits. Wer kein Geld in Warface investieren kann oder will, muss teilweise sehr lange grinden, um sich neue Gegenstände zu erarbeiten. Ein Pay-to-Win-Spiel ist der Crytek-Shooter aber zum Glück nicht. Alles, was Auswirkungen auf das PvP hat, kann erspielt werden.
Auf Performance getrimmt
Als Warface 2013 auf den Markt kam, wollte Crytek damit beweisen, dass auch im Free-to-Play-Segment ein Titel auf AAA-Niveau möglich ist. Natürlich nutzte das Studio die hauseigene CryEngine, um die Mehrspielerballereien ansprechend in Szene zu setzen. Aus heutiger Sicht sieht Warface nicht mehr ganz taufrisch aus, der Zahn der Zeit nagt eben an (fast) jedem Computerspiel. Doch schon damals vermochte es Crytek nicht, die Optik zu bieten, die mit der Engine möglich gewesen wäre.
Warface war vor vier Jahren nicht hässlich und das ist es auch heute nicht. Die Charaktere bewegen sich flüssig durch die Umgebungen und die Waffenmodelle sind detailliert. Allerdings wirkte die Grafik schon 2013 insgesamt recht blass. Es fehlen Lichteffekte, die für ein stimmungsvolles Erlebnis sorgen und die Umgebungen sind relativ grob designt. Es ist einfach deutlich zu sehen, dass Crytek das Spiel auf Performance hin getrimmt hat, damit es auf so vielen PCs wie möglich flüssig läuft. Mit der CryEngine wäre wesentlich mehr möglich gewesen, das hat schon ein Crysis 3 bestens demonstriert. Ja, Warface läuft auf älteren Rechnern und das ist toll, aber eine hübschere Grafik wäre eben auch schön gewesen – im wahrsten Sinne des Wortes. Dennoch gehört Warface sicherlich heute noch zu den ansehnlicheren Free-to-Play-Shootern. Man denke nur an Konkurrenten wie Combat Arms: Reloaded oder Crossfire Europe, die technisch auf einem deutlich niedrigeren Niveau sind. Und das gilt auch für den Sound, der sich in Warface hören lassen kann. Das liegt vor allem an den sehr gelungenen Effekten der verschiedenen Argumentationsverstärker.
Grafik:
Die CryEngine sorgt für eine ansehnliche Optik - heute noch. Gerade die flüssigen Animationen der virtuellen Soldaten wissen zu überzeugen. Allerdings merkt man Warface an, dass die Entwickler sich absichtlich zurückgehalten haben, damit die Action auf älteren PCs noch flüssig läuft. Dadurch wird viel grafisches Potenzial verschenkt.
Sound:
Musik gibt es eigentlich nur in den Menüs, viel wichtiger sind daher die Soundeffekte. Hier stechen die Sounds der Waffen hervor, die glaubwürdig wirken und gut klingen. Allgemein reißt Warface in Sachen Ton keine Bäume aus, leistet sich aber auch keinerlei grobe Schnitzer.
Umfang:
Warface bietet ein breites Angebot an Modi, Maps und Waffen. Bis ihr alles gesehen habt, vergehen Wochen und Monate, außerdem liefert Crytek regelmäßig Updates mit neuen Inhalten, die natürlich kostenlos sind. Dafür, dass ihr grundsätzlich kein Geld bezahlen müsst, um den Titel spielen zu können, bekommt ihr eine ganze Menge geboten, weshalb sich die Entwickler diesbezüglich großes Lob verdient haben.
Spielspaß:
Das Shooter-Gameplay ist vielleicht nicht auf dem höchsten Niveau, was die Welt je gesehen hat, doch Warface spielt sich sehr eingängig und flüssig. Die Maps sind solide gestaltet und die Spielmodi bieten reichlich Abwechslung. Die Koop-Missionen leiden jedoch unter der schwachen Gegner-KI.
Free-to-Play-Balance:
Die gute Nachricht: In Warface gibt es kein Pay-to-Win. Waffen, die ihr nur für echtes Geld kaufen könnt, sind nicht existent. Alles, was euch im PvP Vorteile beschert, lässt sich auch erspielen. Allerdings kann das ohne den Einsatz von Geld sehr lange dauern. Wer allergisch auf Grinding reagiert, wird mit Warface nicht glücklich werden - es sei denn, man ist bereit, Geld für XP-Booster und Co auszugeben.
- Viele Spielmodi, Karten und Waffen
- Solides Shooter-Gameplay
- Gute Soundeffekte
- Ansehnliche Optik, ...
- ...die das Potenzial der CryEngine nicht nutzt
- Hoher Grinding-Faktor
Fazit
Mit Far Cry hat Crytek vor 13 Jahren gezeigt, dass ein deutsches Studio mit den ganz großen US-Entwicklern mithalten kann. Mit Warface wollten die Frankfurter beweisen, dass Free-to-Play-Spiele die Qualität von Vollpreistiteln bieten können. So ganz ist ihnen das 2013 nicht gelungen und daran hat sich bis heute nichts geändert. Warface kann mit kostenpflichtigen Titeln wie Call of Duty weder spielerisch noch technisch mithalten. Das soll aber nicht bedeuten, dass es ein schlechter Shooter ist. Mittlerweile bietet Warface ein umfangreiches Inhaltspaket mit PvP-Modi und Koop-Missionen sowie immens vielen Waffen und Gadgets. Für Abwechslung ist gesorgt und die Ballereien machen Laune. Technisch spielt der Titel in der oberen Liga des Free-to-Play-Segments, bei der potenten CryEngine wäre aber auch deutlich mehr möglich gewesen. Das größte Manko ist letztendlich, dass es sehr lange dauert, bis ihr euch neue Gegenstände erspielt habt. Warface kann in extremem Grind ausarten. Das Geschäftsmodell bietet zwar keinen Anlass für Pay-to-Win-Vorwürfe, ideal ist es aber auch nicht. Dennoch: Wer auf der Suche nach einem kostenfreien Actionspaß für zwischendurch ist, wird sehr gut bedient.