So so, die Grafik eines Spiels macht 60 Prozent aus, ist prägend für Gameplay und Spielspaß. Meint zumindest ein gewisser Herr Yerli in einem Interview, das Anfang dieser Woche die Runde machte. Nicht nur wir in der Redaktion gerieten daraufhin ins Stirnrunzeln, kennt doch jeder von uns mindestens ein tolles Spiel, das durch vieles aber nicht durch die Optik punktet. Vielleicht sogar grafisch eher unterste Schublade ist. Ein Blogeintrag als Antwort war uns nicht genug, deshalb wollten wir auch unsere aktuelle Top 5 an Cryteks Chefetage schicken. In dem festen Glauben, dass der CEO des Warface-Entwicklers nach dem Lesen der folgenden Zeilen seine Aussage nicht noch einmal so abdrucken lassen würde.
Top 5: Miese Grafik, aber geil!
Minecraft
Das beste Beispiel dafür, dass hohe Grafikansprüche eben nicht entscheidend sind, damit ein Spiel suchtgefährdend wird. Millionen Spieler weltweit buddeln, gärtnern und basteln sich durch eine grobe Klötzchenwelt namens Minecraft. Dass vielen von ihnen Grafik nicht egal ist, zeigen diverse Mods, die es mittlerweile für das Onlinespiel gibt. Dennoch ist die Optik eben nicht das Wesentliche, sondern die Möglichkeit, mit Zeit, Geduld und viel Gestaltungsfreiraum etwas Großes zu schaffen. Einige bauen in mühsamer Kleinstarbeit sogar gigantische Regionen wie den Westeros-Kontinent aus Game of Thrones oder Tolkiens Mittelerde im Detail nach. Minecraft ist kein kostenloses Spiel, der unglaubliche Erfolg des Studios Mojang hat aber auch Publisher auf dem Free-to-Play-Markt zu mehreren Nachahmern inspiriert, beispielsweise Brick-Force, Cubelands oder das kürzlich erst angekündigte Minimum.
Command & Conquer Tiberium Alliances
Nicht wenige C&C-Fans rümpften Anfang letzten Jahres die Nase, als ihnen das erste offizielle Browsergame zur bekannten Strategiereihe unterkam. "Schlecht, weil zu anders und zu hässlich", war das viel und manchmal vorschnell geäußerte Urteil. Klar, verglichen mit dem opulenten Grafikfeuerwerk der jüngsten "Command & Conquer"-Ladentitel spielt Tiberium Alliances in einer ganz anderen Liga. Um Mithalten ging’s den Machern erklärtermaßen aber auch gar nicht. Bei C&C Tiberium Alliances liegt der Fokus ganz woanders, nämlich auf einem sich ständig ändernden Schlachtfeld sowie der Organisation großer Allianzen mit dutzenden Mitgliedern. Gespielt werden kann kostenlos und von überall aus, bald auch über mobile Endgeräte wie Smartphones. Millionen Spieler haben sich bislang für eine Karriere in dem Free-to-Play-Titel entschieden. So gesehen läuft das Strategiespiel erfolgreich, trotz wahrlich nicht berauschender Grafik. Die anfänglichen Unkenrufe sind jedenfalls verstummt.
Fußballmanager
Auch Browserspiele wie goalunited und OFM widerlegen eine Aussage, Grafik bestimme das Gameplay. Seit Jahren halten diese Managergames eine starke Fanbase, sichtlich unbeeindruckt von der ständig weiter davongaloppierenden Grafikanforderungen der letzten Zeit. Als Verantwortlicher eines Fußballvereins spielt‘s keine große Rolle, ob der Rasen dank CryEngine schimmert wie in Crysis 3. Da geht’s mehr darum, langfristig die richtigen Entscheidungen in Sachen Bilanz und Trainingsplan zu treffen. Und Tabellen scheinen sich dafür bestens bewährt zu haben, auch wenn viele der Fußball-Browsergames heutzutage keine Tabellenspiele mehr im klassischen Sinne sind.
Tetris und Pac-Man
Selbst wenn wir ganz, ganz weit in der Geschichte der Videospiele zurückrudern, finden wir Beispiele, die Yerli Lügen strafen. In den 1980ern waren diese Spiele grafisch hochmodern, klar. Aber heute? Sollen wir wirklich glauben, dass Tetris und Pac-Man nach wie vor zu den bekanntesten Games überhaupt gehören, weil die Grafik so geil ist? Die Pixelmonster und Bauklötze sind nach wie vor beliebt, nur nicht mehr auf Commodore 64 oder Atari, sondern heute eher auf Galaxy oder iPad. Tetris hält immer noch den Guinness Rekord eines Spiels, das es auf die weltweit meisten Plattformen geschafft hat. Auch Pac-Man gibt’s über 30 Jahre nach Release ganz aktuell auf dem Handy, natürlich free-to-play. Und selbst in einigen Browsergames hat es Tetris geschafft, sich zu verewigen. Garantiert auch nicht wegen 60 Prozent toller Grafik. Exemplarisch sei an dieser Stelle mal auf das Tetris-Level in Gameglobe verwiesen, eines der am meisten gezockten Level des Spielebaukastens von Bigpoint und Square Enix.
Dwarf Fortress
Hier kommt die Zwergenfestung, unser unumstößlicher Beweis, dass Grafik nicht ausschlaggebend für ein Spiel sein muss, um weltweit für Aufmerksamkeit zu sorgen. Dwarf Fortress ist textbasiert, besteht also quasi nur aus Buchstaben und Zeichenreihen. In verschiedenen Modi können wir ganze Kontinente errichten, Burgen verteidigen oder als Abenteurer auf Loot-Suche gehen. Die Buchstabensuppe zum Selberbasteln beeindruckt nicht nur Spielemagazine, auch Zeitungen wie die New York Times berichten über das Städtebau-Spiel im ASCII-Code. Die Krönungszeremonie von Dwarf Fortress findet aber wohl derzeit im Museum of Modern Art statt, das seit vergangenem Monat das Retro-Spiel aus dem Jahre 2006 ausstellt.