Zu jeder Zeit und von überall hören wir immer wieder, dass sich unsere Branche im Wandel befindet, dieses und jenes System ausstirbt oder sich ganze Zielgruppen ändern oder gar wegbrechen. Das ist jedoch nicht wirklich neu, denn es handelt sich um eine technologiegetriebene Branche, die sich jedes Mal ändert, wenn sich auch die Technik wieder in verschiedene Richtungen bewegt. Manche Spielehersteller kommen damit besser zurecht, andere eher nicht. Wieder andere entstehen erst durch neue Trends oder verschwinden vollkommen, weil sie die Situation vollkommen falsch eingeschätzt beziehungsweise sich zu sehr auf früheren Erfolgen ausgeruht haben. Einen besonders interessanten Wandel hat das Studio Factor 5, jetzt TouchFactor, durchgemacht.
Die Geschichte von Factor 5 | Teil 1
Wie alles begann
Die Anfangsgeschichte ist das Paradespiel, wie eine Firma entstehen kann, wenn man mit der notwendigen Leidenschaft an die Sache herangeht. Im Jahre 1987 fanden sich in der Rheinstadt Köln zufällig drei Gamer zusammen, die teilweise ihre Wurzeln in der Hacker-Szene hatten, was sich später noch als Vorteil herausstellen sollte. Sie nannten ihre Gruppe "The Light Circle". Nach unzähligen Besuchen in Spielhallen kamen sie schließlich auf die Idee, ein eigenes Spiel zu kreieren. Achim Moller, Willi Bäcker und Lutz Osterkorn hatten zu ihrer Anfangszeit aber nicht die Bestrebung, sich zu einer Firma zu vereinen, sie wollten lediglich gute Spiele programmieren, die auch optisch etwas hermachten. Teilweise waren die Jungs noch Studenten und haben erste Geh- bzw. Programmierschritte in einer Studentenbude gemacht. Erst später kamen weitere Personen wie Holger Schmidt und Stefan Tsuparidis hinzu. So entstand auch der Name Factor 5, durch die fünf Gründungsmitglieder. Erst danach kam mit Julian Eggebrecht von Rainbow Arts, der künftige Firmenchef, an Bord. Mit Katakis/Denaris, einem mehr als offensichtlichen Klon des Shoot 'em Ups R-Type, gelang ihnen der erste Achtungserfolg. Das Spiel war auf dem Amiga seiner Zeit technisch der Konkurrenz weit voraus, war dem Original aber auch so ähnlich, dass der damalige Lizenznehmer, Activision, das Team verklagte. Allerdings konnten sich beide Firmen außergerichtlich einigen und das in einer Form, die heute nahezu undenkbar erscheint. Activision fehlten zum damaligen Zeitpunkt Amiga-Programmierer und so wurde Factor 5 mit einer Umsetzung für den Amiga betreut. Die einzige Bedingung war, dass das Projekt innerhalb von drei Monaten fertig sein musste. Danach setzte Factor 5 R-Type noch für andere Plattformen um.
Erste Kontakte mit LucasArts
Der erste größere Erfolg wurde ebenfalls zusammen mit dem deutschen Publisher Rainbow Arts erreicht. Von Designer Manfred Trenz kam das Konzept für Side-Scrolling-Game Turrican. Auch hier übernahm Factor 5 wieder die Umsetzung für die Amiga- sowie Atari-Version. Es folgten weitere Ableger der Serie unter anderem für den Amiga, das Super NES oder den Mega Drive von Sega. Danach orientierte sich das Team neu. Achim Moller war es, der den ersten Kontakt zu LucasFilm Games, dem Vorgänger von LucasArts, herstellte, denn die waren auf der Suche nach einem Partner für die Umsetzung des Actiontitels Rescue on Fractalus. Die vor allem grafisch aufwendigen Arbeiten daran dauerten mehr als zwei Jahre ohne eine Fertigstellung und führten schließlich dazu, dass Achim das Team verließ. Trotz des Weggangs profitierte Factor 5 von der ersten vorsichtigen Zusammenarbeit mit dem amerikanischen Unternehmen.
Von Köln nach Amerika
Der Titel Indiana Jones - Greatest Adventures für das Super Nintendo markierte den Start einer mehr als zehn Jahre andauernden Partnerschaft zwischen den beiden Firmen. Factor 5 erarbeitete sich in dieser folgenden Zeit nicht nur den Ruf eines erstklassigen Star-Wars-Entwicklers, sondern eignete sich auch die Expertise an, auf den jeweiligen Plattformen das Maximum herauszuholen. Hier wirkten sich nicht nur die Fähigkeiten als Programmierer aus, sondern auch der Kontakt von Eggebrecht zu einem Freund beim Bundesamt für Verfassungsschutz. Zur Zeit der Entwicklung von Turrican für das Super Nintendo und den Sega Mega Drive/Sega Genesis besaß Factor 5 keine Entwicklerversionen der jeweiligen Konsole. Also wurden kurzerhand normale Handelsvarianten gekauft und mittels Reverse Engineering Entwickler-Kits erstellt. Nach drei Monaten wusste Factor 5 mehr über die Konsolen als manch anderer etablierte Entwickler. Auf diese Weise konnten die Programmierer die Hardware ganz anders ausnutzen. Allerdings gab es eine Schwierigkeit: LucasArts war in Kalifornien beheimatet und Factor 5 nach wie vor in Köln. 1995 boten die Amerikaner an, Factor 5 bei der Umsiedlung in den Küstenstaat tatkräftig zu unterstützen und seit Mai 1996 befand sich der Hauptfirmensitz in San Rafael, lediglich ein kleiner Teil der Belegschaft verblieb als Factor 5 GmbH, wieder mit Achim Moller an Bord, in der Rheinmetropole. Die Umsiedlung der Firma ging jedoch nicht ausschließlich auf LucasFilm Games zurück. In den 90er Jahren hat Factor 5 angefangen, auf allen drei Konsolen Spiele zu veröffentlichen. Die Zeitzonenunterschiede zu den drei Unternehmen und langsame Internetverbindungen erschwerten die Entwicklung ebenfalls. Jede Softwareversion musste per Kurier nach Übersee verschickt werden.
Verspätung von Star Wars Episode 1 war ein Glücksfall
Neben LucasArts baute Factor 5 eine besonders enge Verbindung zu Nintendo auf, obwohl LucasArts das Team eher als Entwickler für Spiele auf Sonys kommender PlayStation sah. Nach dem ersten Spiel von Factor 5 für die PlayStation, Ball Blazer Champions, schloss LucasArts einen Vertrag über drei Spiele zu Star Wars Episode 1 mit Nintendo, wovon das erste 1998, pünktlich zum Kinofilm erscheinen sollte. Von da an spielten mehrere Faktoren zusammen. Der Film verspätete sich, bei LucasArts wollte jedoch niemand an einem Spiel mit der alten Trilogie arbeiten. Die Jungs und Mädels von Factor 5 waren gerade frisch in Kalifornien angekommen und outeten sich schon vor Jahren als Star-Wars-Fans. So kamen sie an ihr erstes Ziel: die Star Wars Marke.
Star Wars - das neue Steckenpferd
Während der Entwicklung von Star War Rouge Squadron, die nicht wirklich nach Zeitplan verlief, da das Nintendo 64 nicht für eine solche Art von Spiel entworfen wurde, zeigte sich erneut das Programmiertalent des Studios. Factor 5 fragte an, ob man ihnen Zugriff auf den Maschinencode der Konsole gewähren könne. Nintendo gewährte ihn, da die Programmierer ihre Schwierigkeiten plausibel darlegen konnten. Dieses Privileg war bis dato lediglich internen Teams bei Nintendo und Rare vorbehalten. Damit hatten die Neu-Kalifornier einen Fuß in der Tür zu einem der verschlossensten Unternehmen der Branche. Gleichzeitig beeindruckten sie die Japaner mit Sound-System MusyX im akustischen Bereich, denn beim Nachfolgerspiel Battle for Naboo gab es erstmals einen kompletten Audio-Kommentar auf dem Modul und auch bei Resident Evil 2 von Capcom wirkten die Jungs kräftig mit beim Soundtrack. Das führte sogar soweit, dass Factor 5 einer der Technologie-Partner von Nintendo bei der Entwicklung des GameCubes wurde und sich regelrecht ein freundschaftliches Verhältnis entwickelte. Diese Verbindung zum japanischen Konsolenhersteller besteht bis heute und beide Seiten tauschen sich immer noch aus. Darüber hinaus widmete sich Factor 5 auch der Videotechnik. Sie lieferten nicht nur für die Würfelkonsole die DivX-Unterstützung, sondern auch die Xbox.
Von Nintendo über Microsoft zu Sony
Factor 5 konnte durch diesen Wissensvorsprung als Technologie-Partner zwei Star-Wars-Spiele, Rogue Leader und Rebel Strike, in Rekordzeit auf dem GameCube herausbringen, die darüber hinaus über lange Zeit technisch das Maß aller Dinge waren. Zu dieser Zeit wechselte der zuständige Producer der Star-Wars-Spiele von Nintendo zu Microsoft und fädelte einen Deal mit LucasArts ein, nämlich den, dass Factor 5 eine Spielesammlung aller drei bisherigen "Star Wars Rogue Squadron"-Teile für die Xbox 360 entwickeln sollte. Als ungefähr 50 Prozent der Arbeit getan war, führten einige interne Veränderungen bei LucasArts dazu, dass das Projekt eingestellt wurde, ebenso wie ein geplanter Launchtitel für die Xbox 360. Dann unterschrieben die deutschen Entwickler aus Kalifornien jedoch 2005 einen Exklusivvertrag mit Sony über drei Jahre, um ihnen bei der Gestaltung der Konsole zu helfen und einen Launchtitel für die PlayStation 3 zu entwickeln. Factor 5 schlug Sonys Shuhei Yoshida ein Star-Wars-Spiel im Stile von Rogue Squadron vor, aber das Ganze sollte etwas Eigenes und Originales werden. Kurzerhand wurden X-Wing und Tie-Fighter gegen mächtige Drachen ausgetauscht und Lair war geboren. Aber der Titel fiel sowohl bei der Fachpresse als auch den Spielern durch.