Bei der täglichen Recherche bin ich auf eine ältere, interessante Studie gestoßen. Laut CNN beenden nur rund 10 Prozent aller Spieler ein Spiel. Diese erschreckende Aussage hat mich fast dazu gebracht, meinen Kaffee quer über die Tastatur zu verteilen. Mein erster Gedanke war: Das ist so, als würde ich einen Kinofilm nicht bis zum Ende schauen. Ich bezahle Geld für ein Produkt, welches ich überhaupt nicht zu Ende genieße. Den Aspekt, ob mir das Produkt gefällt oder nicht, betrachte ich nur am Rande. Der Unterschied ist jedoch, dass Filme ein passives Medium sind und Games interaktiv. Aber ich betrachte beides als eine Form Freizeitgestaltung. Wenn ich mir ein Spiel von meinem harterarbeiteten Geld kaufe oder es anfange, zu zocken, dann will ich auch wissen, wie die Geschichte ausgeht. Unterscheide ich mich in diesem Fall so sehr von anderen Leuten? Immerhin bevorzuge ich in meiner Freizeit fesselnde Geschichten und eine dichte Atmosphäre. Oder hat sich die Kundschaft in den vergangenen Jahren einfach nur viel mehr in Richtung "Casual-Gamer" verschoben? Ein weiterer Blick in die Studie zeigt mir aber, dass zum Jahrtausendwechsel der Wert mit 20 Prozent nur unwesentlich höher lag. Man stelle sich nur einmal vor, dass von zehn Kinozuschauern acht die Vorstellung vorzeitig verlassen, auch wenn der Vergleich in vielerlei Hinsicht hinkt. Das würde aber den Trend der letzten Jahre erklären, weshalb die Endsequenzen immer blasser und langweiliger und Spiele vor allem kürzer werden sowie der Fokus immer mehr auf dem Multiplayer gelegt wird.
Nico bloggt: Nur 10 Prozent der Spieler beenden ein Game...
Offene Games mit mehr Motivation?
Bei diesem Thema kommen mir vor allem zwei Gedanken. Erstens: Sind vielleicht Free-to-Play-Games und Browserspiele gerade deswegen so erfolgreich? Weil sie eben kein Ende haben, reine Mehrspielererfahrungen bieten oder bewusst offen gestaltet sind? So kann jeder Spieler in seinem eigenen Tempo voranschreiten und muss nicht fürchten, am Ende nicht mitreden zu können? Zumindest ist das wohl bei Strategietiteln und Aufbausimulationen der Fall. Ich investiere die mittlerweile rar gewordene Freizeit in Games, in denen ich mich stetig verbessern kann, ohne Gefahr zu laufen, gehetzt zu werden. Nehmen wir als Beispiel Anno Online oder Die Siedler Online. Beides sind Aufbaustrategiespiele, wie sie im Buche stehen und werden von Ubisoft in regelmäßigen Abständen erweitert. Sicherlich, ich muss eine Menge Zeit investieren, um Fortschritte zu erzielen, aber ein Ende ist nicht wirklich in Sicht. Dennoch gibt es Erfolgserlebnisse und deshalb bleibt meine Motivation hoch. Das trifft natürlich nicht auf die Titel zu, die das Free-to-Play-Prinzip nicht verstanden haben. Wenn ich ständig zum Bezahlen aufgefordert werde, bin ich schneller weg, als Lucky Luke seinen Colt ziehen kann. Aber wenn das Spiel funktioniert und Spaß macht, dann bleibe ich dabei. So habe ich zum Beispiel in den letzten Wochen Asterix & Friends und Anno Online bis zum Erbrechen gesuchtet. Dabei spiele ich in meiner Freizeit kaum Games dieser Art, weil es einfach nicht mein Genre ist.
Vor Filmende den TV abschalten?
Der zweite Gedanke, der mich durch diese Studie umtreibt, ist die Tatsache, dass ich eigentlich nicht das volle Potenzial der Produkte ausschöpfe, wenn ich sie nicht durchspiele. Ich gebe 60 Euro für einen Titel aus und lasse ihn dann halb gespielt im Regal verstauben? Da könnte ich doch mein Geld gleich im Gulli runterspülen. Weshalb halten so viele Spieler nicht durch? Sind die Spiele zu schwer? Wohl kaum. Mittlerweile bietet fast jedes Game verschiedene Schwierigkeitsgrade, die auch den Unerfahrensten die Möglichkeit geben, die letzte Sequenz und die Credits zu sehen. Oder liegt es vielleicht an der Länge der Titel? Eigentlich schwer vorstellbar, denn wer nicht gerade in der Gamingbranche arbeitet, bekommt nicht pro Woche 3 bis 4 Titel vorgesetzt, die rezensiert werden müssen. Da dürften doch trotz Familie, Freunden, Arbeit und anderen sozialen Verpflichtungen 10 bis 15 Stunden drin sein, um sich einem Spiel zu widmen. Ich habe mir zum Beispiel den Sonntagvormittag als entspannten Zocktermin in meinen Kalender gemeißelt und just am vergangenen Wochenende Metal Gear Rising: Revegeance durchgespielt. Laut internem Zählwerk habe ich dafür auf dem einfachsten Schwierigkeitsgrad gerade einmal 4 Stunden und 12 Minuten benötigt. Das mag zwar für einen Triple-A Titel etwas wenig sein, aber ich wurde gut unterhalten. Diese Zeit sollte auch für den eingespanntesten Gamer möglich sein. Bei einem Rollenspiel, für das bis zu 100 Stunden draufgehen, kann ich das durchaus nachvollziehen, dass so etwas nicht klappt. Ich versuche derzeit den Klassiker Chrono Trigger nachzuholen, schiebe das Projekt aber seit Anfang des Jahres vor mir her. Denn obwohl ich viel zocke, ist das Meiste davon beruflicher Natur und ein Rollenspiel, das 40 Stunden und mehr dauert, würde einfach zu viel Zeit fressen.
Das war jetzt alles?
Aber ich bin der Ansicht, dass man es zumindest versuchen sollte, ein Spiel zu beenden. Immerhin kommt das Beste meist zum Schluss. Auch wenn das leider nicht für alle Games zutrifft. Gefühlt war früher irgendwie alles besser, auf jeden Fall die Endsequenzen und Credits. Wenn ich mir überlege wieviel Mühe sich die Entwickler von Rogue Squadron 2 gegeben haben. Da wurde das Making-of mit den Credits vermischt und man konnte sich nicht nur die am Spiel beteiligten Personen ansehen, sondern auch erfahren, wie das Spiel gemacht wurde. So etwas gibt es heutzutage kaum noch. Da rollen unterlegt mit schnittiger Musik einfach ein paar Namen vorbei und das war es. Auch bei den End-Videos der Spiele wird sich meiner Meinung nach kaum mehr Mühe gegeben. Nach 10 bis 15 Stunden erwarte ich, dass ich nicht mit einem zehn sekündigen Clip abgespeist werde. Ein bisschen Entspannung zum Runterkommen des Adrenalinspiegels wäre schon angebracht. Zudem behalten sich viele Spieleentwickler durch ein offenes Ende einen weiteren Teil vor. Das ist zwar nachvollziehbar, aber auch ein Happy End lässt einen Nachfolger zu. Oder bin ich einfach nur zu nerdig, wenn ich den Anspruch habe, ein Spiel auch zu beenden, welches bei mir zu Hause im Regal steht?