Wir nennen euch vier Dinge, die uns an Lost Ark gefallen, und drei, die wir weniger toll finden.
Lost Ark angespielt: Coole Kämpfe, langweiliger Loot
Nicht jeder hatte in den vergangenen Tagen das Glück, viel Lost Ark zu spielen. Über die Warteschlangenproblematik haben wir uns ja schon an anderer Stelle ausgelassen. Erfreulicherweise haben wir es geschafft, mittlerweile laut Steam auf eine Spielzeit von 55 Stunden zu kommen. Na gut, ziehen wir mal mindestens zehn bis zwölf Stunden ab, die wir insgesamt in der Warteschleife verbracht haben. Und dann haben wir auch noch mehrere Klassen ausprobiert, sodass wir die übrigen knapp über 40 Stunden nicht alle mit unserem Hauptcharakter verbracht haben. Mit dem haben wir es aber immerhin auf Level 41 geschafft. Vom Endgame sind wir also noch ein Stückchen entfernt, aber wir wollen es uns trotzdem nicht nehmen lassen, euch jetzt schon unsere Eindrücke zu schildern.
Was wir in jedem Fall schon mal sagen können: Lost Ark ist ein gutes MMORPG mit einigen Stärken. Es hat aber auch klare Schwächen, über die wir reden müssen – und damit sind nicht die zu wenigen Server für uns Europäer gemeint.
Was uns gut gefällt
Das Kampfsystem
Dass Lost Ark kein Diablo-Klon, ja nicht mal ein waschechtes Hack and Slay ist, dürfte sich mittlerweile herumgesprochen haben. Das hier ist ein waschechtes Online-Rollenspiel, nur die isometrische Perspektive und der Grad an Action in den Kämpfen erinnern an Diablo, Path of Exile und Co. In dieser Hinsicht ist Lost Ark gut vergleichbar mit jenen Titeln – und überflügelt sie. Zumindest in Sachen Trefferfeedback und Machtgefühl gibt es nichts Besseres. Egal, welche Klasse ihr nehmt, eure Attacken sehen stets richtig cool aus und treffen die Feinde mit solch einer Wucht, dass es jedes Mal aufs Neue ein Genuss ist, sie einzusetzen.
Der Einstieg mag vielleicht etwas überfordern, weil ihr nicht erst mal mit einem Skill beginnt, sondern direkt mit sechs Stück. Aber nach einer kurzen Eingewöhnungszeit findet man sich zurecht und entwickelt ein Gefühl dafür, wann man welche Fähigkeit einsetzen sollte (Stichwort Abklingzeiten). Und dann machen die Kämpfe richtig Laune, weil sie sich enorm flüssig spielen.
Die Klassen
15 Klassen stecken in der westlichen Launch-Version von Lost Ark. In Südkorea sind bereits 22 spielbar. Von außen betrachtet mag das so wirken, als setze Entwickler Smilegate hier eher auf Masse statt, nun ja, Klasse, aber dem ist nicht so. Obwohl die Professionen unterschiedlichen Archetypen wie Krieger und Magierin zugeordnet sind, spielen sich selbst die Spezialisierungen einer dieser Kategorien sehr unterschiedlich. Unser Hauptcharakter zum Beispiel ist ein Paladin, der mit einem Einhandschwert kämpft und heilige Magie einsetzen kann. Wir haben aber auch den Berserker ausprobiert. Der ist ebenfalls ein Nahkämpfer mit schwerer Rüstung, verursacht aber dank seines deutlich breiteren und längeren Zweihandschwerts mehr Flächenschaden und ist dafür etwas langsamer. Zudem fehlt es ihm komplett an Fernkampfangriffen.
Des Weiteren ist jede Klasse richtig cool und man möchte am liebsten alle ausprobieren. Ohne Echtgeldeinsatz wird bloß etwas schwierig, weil ihr von Haus aus nur sechs Charakterplätze zur Verfügung habt. Aber ihr werdet sicherlich auch Heldentypen finden, die euch persönlich beim Spielen nicht zusagen. In unserem Fall ist es beispielsweise so, dass wir sehr gerne mal einen Todesschützen spielen würden, weil der mit seiner Waffenauswahl, bestehend aus zwei Pistolen, einer Schrotflinte und einem Gewehr, sehr vielfältig im Kampf ist und einfach eine Menge Stil hat. Aber er gehört auch zu den anspruchsvollsten Klassen in Lost Ark, weshalb wir von ihm (fürs Erste) Abstand halten.
Die Dungeons und instanziierten Szenarien der Hauptstory
Die Geschichte an sich mag keiner der Pluspunkte von Lost Ark sein (ist aber auch keiner der sonderlich negativen Aspekte). Es ist eben die Standard-Fantasy-Story rund um den Kampf gegen das ultimative Böse und ihr seid der Auserwählte. Das hat man so schon viel zu oft erlebt, aber die Hauptkampagne macht trotzdem Spaß. Das liegt an den instanziierten Missionen beziehungsweise den Dungeons. Letztere wirken am Anfang noch reichlich unspektakulär, das ändert sich aber schon nach wenigen Spielstunden.
Ehe ihr euch verseht, steckt ihr mitten einer epischen Belagerungsschlacht, die an den Kampf um Helms Klamm in "Der Herr der Ringe: Die zwei Türme" erinnert. An anderer Stelle nehmt ihr es in einem mehrphasigen Kampf mit einem riesigen feuerspeienden Dämon auf. Generell trumpft Lost Ark mit einigen Bosskämpfen auf, die mechanisch über das hinausgehen, was man von reinen Hack and Slays gewohnt ist. Dadurch freut man sich auf jeden neuen Endgegner.
Angesichts dessen, dass Lost Ark dabei immer in der Spielgrafik bleibt, es also weder vorgerenderte Videos noch Sequenzen hat, die zwar in der Spiel-Engine stattfinden, aber einen höheren Detailgrad aufweisen, ist die Inszenierung absolut fantastisch. Würde man Diablo 3 seine aufwendigen Render-Filmchen wegnehmen, würde es in Sachen Spektakel im Vergleich klar den Kürzeren ziehen. Wie Smilegate hier mit Kamerafahrten arbeitet, ist schlichtweg grandios, insbesondere für ein Free-to-Play-MMO aus Asien. Noch dazu ist sogar die deutsche Vertonung ziemlich gut gelungen. Nebenfiguren haben zwar oftmals denselben Sprecher oder dieselbe Sprecherin, dafür sind die wichtigen Rollen richtig prominent besetzt. Der Hauptbösewicht etwa hat die Synchronstimme von Leonardo DiCaprio, einer seiner Kumpanen die von Ryan Reynolds. Das in Kombination mit den visuellen Qualitäten sorgt dafür, dass man selbst dann jede Zwischensequenz laufen lässt, wenn man alle Dialoge mit NPCs schnell wegklickt.
Der Umfang
Es macht sich deutlich merkbar, dass Lost Ark schon 2019 in seiner Heimat erscheinen ist. Auch wenn die westliche Version noch nicht so viel Inhalt hat wie die koreanische, fühlt sie sich eben doch wie alles andere als die Launch-Fassung eines neuen MMOs an. Es ist klar ersichtlich, dass der Titel bereits zwei bis drei Jahre gereift ist, bevor er den Weg zu uns gefunden hat. Allein mit dem Weg bis Level 50 und damit dem ins Endgame könnt ihr, wenn ihr nicht hetzt und etwa alle Nebenquests macht (was aber nicht notwendig ist), viele Stunden beschäftigt sein. Und danach geht es ja erst richtig los, wie wir uns haben sagen lassen.
Ab Stufe 50 eröffnen sich euch zig Möglichkeiten, eure Ausrüstung zu verbessern. Es gibt diverse Arten von Dungeons und Raids. Dazu kommen das richtig gute PvP-System (auch wenn das momentan noch keine Belohnungen abwirft) und die Handwerksfertigkeiten. Außerdem lässt euch Lost Ark eure eigene Festung ausbauen und verwalten und ihr könnt mit einem Schiff über die See fahren und eine Vielzahl an kleinen Inseln erkunden. Und mit den Story-Quests ist nach Level 50 auch noch lange nicht Schluss. Den Großteil der Kontinente besucht ihr gar nicht im Verlauf der Levelphase, sondern erst danach. Wobei wir das mit der Levelphase hier nochmal klarstellen sollten: 50 ist nicht die Maximalstufe. Die liegt bei 60, allerdings kostet euch schon der Aufstieg auf 51 mehr Erfahrungspunkte als der gesamte Weg bis Level 50.
Was uns nicht gefällt
Der Loot
Nochmal: Lost Ark ist kein Diablo als MMO, sondern ein MMORPG mit Diablo-Anleihen. Das macht sich vor allem beim Loot bemerkbar. Der wird in deutlich kleineren Portionen ausgeschüttet. Das ist erst mal noch kein Problem. Schade ist bloß, dass er so unspannend ist. Zumindest in den ersten Stunden legt ihr einfach immer das Zeug an, das mit einem blauen Pfeil markiert ist. Der signalisiert euch: „Hey, dieses Item ist besser als das, was du trägst.“ Erst in der zweiten Hälfte der Levelphase beginnt ihr dann mal ein klein bisschen mehr auf die Attributsboni zu achten. Im Fall unseres Paladins etwa wollen wir einen möglichst hohen Spezialisierungswert haben. Der sorgt dafür, dass unsere Fähigkeiten die Frömmigkeitsanzeige schneller füllen, sodass wir unsere Identitäts-Skills häufiger verwenden können (der eine macht uns stärker, der andere etwaige Gruppenmitglieder).
So richtig große Freude über neue Items und schwerwiegendere strategische Entscheidungen waren in unserer Spielzeit bislang aber absolute Mangelware. Klar ist es nett, wenn am Ende eines Dungeons zwei, drei Ausrüstungsgegenstände aus einem besiegten Boss heraussprudeln, die einen blauen Pfeil haben. Das ist aber nichts im Vergleich dazu, wenn wir in Diablo 3 einen legendären Gegenstand erbeuten, der ganz besondere Affixe hat. Ja, vielleicht packt Lost Ark das im Endgame aus. Wir haben bislang nur bestenfalls epische Items erhalten, es gibt aber noch legendäre und Reliktgegenstände. Doch in Diablo 3 müssen wir auch nicht erst Stufe 70 erreichen, bis wir mal richtig gute Beute machen. Wie gesagt, Lost Ark ist eine völlig andere Art von Spiel. Aber in einem Rollenspiel sollte Loot generell richtig befriedigend sein und das hat sich für uns bislang nicht eingestellt.
Die Linearität während der Levelphase
Als Lost Ark vor etlichen Jahren angekündigt wurde, dachten wir, es wird ein Open-World-Spiel. Dem ist aber gar nicht so. Das ist zwar schade, aber nicht unser Kritikpunkt. Einzelne Gebiete, die durch Ladebildschirme voneinander getrennt sind und sich uns erst nach und nach eröffnen, finden wir nicht schlimm. Das Problem ist, dass euch Lost Ark auf dem Weg bis Stufe 50 sehr an die Hand nimmt. Ihr bewegt euch in fester Reihenfolge von einem Gebiet zum nächsten, die teilweise auch sehr schlauchförmig sind. Wirkliche Erkundungsanreize gibt es nicht. Nebenquests sind zwar vorhanden, liegen aber immer auf dem Hauptweg und selten habt ihr mal mehr als zwei Stück zeitgleich in eurem Tagebuch.
Erst im Endgame löst sich diese Linearität auf. Von einem MMORPG hätten wir was anderes erwartet. Zudem sorgt diese Problematik dafür, dass ihr mit jedem eurer Twinks exakt den gleichen Pfad beschreitet wie mit eurem Hauptcharakter. Immerhin: Erreicht ihr einmal Level 50, bekommt ihr zwei Power-Pässe geschenkt, um ein Duo an weiteren Helden direkt auf die gleiche Stufe anzuheben. Aber wollt ihr darüber hinaus noch mehr Recken im Endgame zur Verfügung haben, müsst ihr eben entweder Geld bezahlen oder mit ihnen exakt die gleiche Hauptkampagne in den exakt gleichen Gebieten nochmal bestreiten.
Das Writing
Wir haben oben schon erwähnt, dass Lost Ark keine originelle Geschichte erzählt. Wirklich schlecht sie aber auch nicht, eben Fantasy-Standard. Das größere Problem auf erzählerischer Ebene ist die Qualität der Texte. Das kann nun auch zum Teil einer vielleicht nicht auf höchster Qualitätsebene einzuordnenden Übersetzung geschuldet sein. Fakt ist aber, dass es wenig Spaß macht, die Dialogzeilen zu lesen, nicht mal die der Hauptquests. Die sind zum Großteil nicht vertont, immer nur die ersten ein, zwei Sätze bekommt man zu hören. Anfangs haben wir sie noch aufmerksam gelesen, aber irgendwann ist uns die Lust daran vergangen, weil zum Beispiel immer wieder mal Sätze wiederholt werden, zumindest inhaltlich. Ein Charakter sagt also zweimal hintereinander das Gleiche, nur eben mit leicht anderen Worten.
Auf dem Niveau von Final Fantasy XIV ist Lost Ark in dieser Hinsicht schlichtweg nicht. In dem MMO von Square Enix erzählen ja selbst die spielerisch langweiligen Nebenquests teilweise echt nette Geschichten und sind gut geschrieben. Lost Ark gelingt das nicht.
Der Gender-Lock und die Darstellung von Frauen
Kommen wir schließlich noch zu einem Thema, das für MMOs aus Asien leider immer noch fast Standard ist. In Lost Ark gibt es einen Gender-Lock für die Klassen. Krieger sind allesamt männlich und wenn ihr eine Magie-lastige Klasse spielen wollt, geht das nur mit einem weiblichen Charakter. Smilegate ist zwar dabei, das Ganze aufzubrechen, wie man daran erkennen kann, dass es den Kampfmönch als maskulines Gegenstück zur Kriegstänzerin und die Kunstschützin als feminines Äquivalent zum Todesschützen gibt. Aber das sind bislang die Ausnahmen.
Hinzu kommt die Darstellung von Frauen im Spiel. Weibliche Charaktere, seien es nun die eigenen Spielfiguren oder manche NPCs, haben in der Regel große Brüste und ihre Klamotten sind zumeist recht knapp und körperbetont geschnitten. Ja, es gibt auch hier und da mal die dicke Bäuerin oder die zwar schlanke, aber normal gekleidete Magd, trotzdem bedient Lost Ark das Klischee der taffen Heldinnen, die zugleich Victoria-Secret-Models sein könnten, in nicht gerade geringem Ausmaß. So was muss doch heute einfach nicht mehr sein.
Fazit
Abschließend lässt sich sagen, dass wir viel Spaß mit Lost Ark haben, seinen Macken zum Trotz. Es ist sicherlich kein Überflieger, dafür sind die Schwächen zumindest während der Levelphase zu ausgeprägt. Bislang würden wir dem Metascore von 81 nicht zustimmen. Aber das kann sich ja noch ändern, wenn wir mal ins Endgame abgetaucht sind und anspruchsvollere Inhalte ausprobiert haben. Wer Lust auf ein MMO mit flotten Kämpfen und hohem Grind-Faktor (im positiven Sinne) hat, wird sicherlich gut bedient und kann schon mit dieser Launch-Fassung hunderte Stunden verbringen. Genug Inhalte sind ja vorhanden. Man sollte vielleicht nur nicht jetzt einsteigen wollen, denn dann werden einen die langen Warteschlangen zur Weißglut treiben.