Lost Ark ist da! Viele wollen, aber nicht jeder darf zocken und Amazon Games hat mal wieder einen MMO-Launch vergeigt.
Ein erfolgreicher, aber misslungener Launch
In einer idealen Welt könnte Amazon Games richtig zufrieden sein. Lost Ark hat schließlich einen furiosen Start in der westlichen Welt hingelegt. Der bisherige Höchststand an zeitgleich aktiven Spielern auf Steam (und woanders gibt es die westliche Fassung nicht) liegt laut Steamcharts.com bei circa 1,324 Millionen. In der Tabelle der Spielerrekorde platziert sich das MMORPG damit auf Platz 2 hinter PUBG: Battlegrounds und vor Counter-Strike: Global Offensive sowie Dota 2. Lost Ark ist also ein voller Erfolg? Nun ja, was die Zahlen betrifft, sicherlich. Aber von einem guten Launch wird wohl kaum jemand sprechen.
Am Anfang machte erst mal Steam Ärger
Wir hätten es schon als schlechtes Omen wahrnehmen sollen, als wir am Abend des 8. Februar wie viele andere nicht direkt um 18 Uhr loszocken konnten. Zu jener Zeit sollte der Early Access für Käufer eines Gründerpakets beginnen. Das Spiel war an sich auch verfügbar, aber bei diversen Leuten machte Steam einen Strich durch die Rechnung. Die im Voraus heruntergeladenen Dateien wollte die Software schlicht nicht entpacken. Erst nach knapp anderthalb Stunden war der Fehler behoben und es konnte losgehen. Dann lief auch erst mal alles reibungslos.
An den beiden darauffolgenden Tagen zeichnete sich schon ab, was uns ab dem offiziellen Release am 11. Februar wohl erwarten würde: Schon da landeten wir am frühen Abend nach Spielstart erst mal in einer Warteschlange. Nun sei dazu gesagt, dass wir auf Asta spielen, dem inoffiziellen deutschen Server von Lost Ark. Die Server des Spiels sind nicht offiziell Ländern beziehungsweise Sprachen zugeordnet. Es gibt lediglich jeweils eine Region für Mitteleuropa und Südamerika sowie zwei für Nordamerika (West- und Ostküste). Vor dem Start hat sich die deutschsprachige Community auf Asta festgelegt, wo auch viele große Streamer zocken. Uns war daher klar, dass es zu Warteschleifen kommen würde.
Während der Vorabzugangsphase hielt sich die Warterei noch in Grenzen. Einmal mussten wir ungefähr zwei Stunden warten, weil mehrere 1000 Leute vor uns an der Reihe waren. Wenn wir bedenken, dass man dafür bezahlt, ein Free-to-Play-Spiel drei Tage früher als andere spielen zu dürfen, und dann so lange warten muss, bis man auf einen Server kommt, ist das eigentlich schon ein No-Go. Zwei Stunden sind noch aber noch eine Zeitspanne, mit der man selbst als Berufstätiger leben kann. Es sollte dann ja doch noch genügend Zeit am Feierabend übrig bleiben, um zu zocken. Abgesehen davon gab es andere Server, die zu dem Zeitpunkt nicht ausgelastet waren. Hätten wir woanders mit einem neuen Charakter loslegen wollen, wäre das direkt möglich gewesen.
Verschiebung in letzter Minute
Ab dem 11. Februar war aber auch damit Schluss. Ab da wurde es richtig übel. Uns war klar, dass die Warteschlangen exponentiell länger werden würden. Also dachten wir uns: "Ja, wir loggen uns am Nachmittag ein, bevor um 18 Uhr der offizielle Release erfolgt und Massen an neuen Spielern hinzukommen." Doch wir hätten es wissen müssen: Natürlich fanden an jenem Tag Wartungsarbeiten statt. Die sollten von 14 bis 18 Uhr dauern. Tja, Pustekuchen!
Kurz vor dem Ablauf des genannten Zeitraums gab Amazon Games bekannt, dass der Release von Lost Ark aufgrund technischer Probleme verschoben werden musste – und das um mehrere Stunden. Eine genaue Zeitangabe machte der Publisher aber nicht. Und so warteten wir. Und warteten … und warteten … und warteten. Dann hieß es, dass die Server um 23:15 Uhr online gehen sollten. Das geschah auch, aber bevor wir uns einloggen konnten, waren sie bereits wieder offline. Es gab also offensichtlich neue Probleme und so verzögerte sich der Start noch weiter. Um 0 Uhr verabschiedeten wir uns dann ins Bett, während das Spiel immer noch nicht lief. Kurz danach kamen die Server zurück und blieben auch online.
Der frühe Vogel fängt den Wurm
Wir selbst hatten am Wochenende großes Glück, loggten wir uns doch sowohl Samstag als auch Sonntag circa um 10 Uhr morgens ein und landeten direkt im Spiel, ohne warten zu müssen. Die gute Nachricht: Lost Ark lief einwandfrei. Wir hatten keinerlei Bugs, keine Lags, keine Verbindungsabbrüche und auch keine Abstürze. Zum Glück blieben wir vor allem von letzteren beidem verschont. Wären wir aus dem Spiel geflogen, wären wir wohl kaum noch am selben Tag nach Arkesia zurückgekehrt. Wie wir dem Chat entnehmen konnten, waren die Warteschlangen extrem lang und knackten gerne mal die 20.000er-Marke.
Am Sonntag war es sogar so schlimm, dass ab einem bestimmten Zeitpunkt neue Spieler gar nicht erst in der Warteschleife landen konnten, weil die Login-Server dicht waren. Uns war klar, dass wir so lange spielen mussten, wie wir konnten. Eine längere Pause zu machen, ohne Lost Ark die ganze Zeit im Hintergrund laufen zu lassen, war nicht drin. Das Ausloggen am frühen Abend nach acht bis neun Stunden Spielzeit war für den gestrigen Tag final, eine Rückkehr wäre nicht mehr möglich gewesen. Aber gut, wir konnten ausreichend lange spielen, im Gegensatz zu vielen anderen.
Sündenbock Corona? Nur zum Teil
Nun ist Lost Ark längst kein Einzelfall. Amazon Games hat ja schon Erfahrung mit dieser Situation: Im Oktober veröffentlichte man sein hauseigenes Online-Rollenspiel New World. Da waren lange Warteschlangen ebenfalls der Standard in der ersten Woche. Im Fall von Final Fantasy XIV: Endwalker, der dritten Erweiterung des MMOs von Square Enix, nahm die Problematik sogar ein so großes Ausmaß an, dass der Verkauf des Spiels für Wochen eingestellt wurde. Corona ist in allen drei Fällen sicherlich nicht ganz unschuldig. Einerseits gibt es mehr Leute, die zocken wollen und auch die Zeit dazu haben, weil sie eben nicht so viel nach draußen gehen. Andererseits braucht man auch für Server Hardware und der Markt ist schon seit längerer Zeit in einer Krise, weil die Halbleiterproduktion aufgrund der Pandemie ins Stocken geraten ist.
Allerdings können wir nicht einfach alle Schuld auf COVID-19 schieben. Zum einen zeigt der Blick in die Vergangenheit, dass Hersteller von Online-Spielen schon immer ein Problem damit hatten, richtig einzuschätzen, wie viele Server man zum Start braucht. Der eine oder andere erinnert sich vielleicht noch an den katastrophalen Release von Diablo 3 – und der liegt immerhin schon zehn Jahre zurück. Damals gab es kein COVID-19. Zum anderen hat sich Amazon Games zum zweiten Mal innerhalb von weniger als einem halben Jahr verschätzt, was die voraussichtlichen Spielerzahlen zum Launch eines neuen Titels betrifft.
Bei New World ging man scheinbar nicht davon aus, dass im Durchschnitt über 410.000 Spieler zeitgleich herausfinden wollen, was das sehr PvP-lastige MMORPG auf dem Kasten hat. Bei Lost Ark sind es nun nach dem Free-to-Play-Start die anfangs erwähnten über 1,3 Millionen Leute geworden. "Ja, wer hätte denn damit rechnen können, dass das Spiel so viele Menschen interessiert?" Nun …
Wer lange hungert, hat danach besonders großen Appetit
Halten wir fest: Wir in Europa und die Zocker in Amerika warten seit acht Jahren auf Lost Ark. Der erste Gameplay-Trailer von 2014 haute uns damals von den Socken und versprach nichts Geringeres als einen Diablo-Killer. Doch der südkoreanische Entwickler Smilegate ließ uns lange warten. In seiner Heimat erschien Lost Ark 2019. Im Verlauf der vergangenen zwei Jahre ging es in Russland und Japan an den Start. Aber von einer westlichen Version war bis 2021 nie offiziell die Rede. Erst, als Amazon Games bekannt gab, die Publishing-Rechte erlangt zu haben, hatten wir die Gewissheit, dass der Titel noch zu unseren Lebzeiten in den Westen kommen würde.
Nun mag es sein, dass nicht schon seit 2014 die breite Masse an Leuten dem Release von Lost Ark entgegenfieberten. Der ganz große Hype ist sicherlich erst in den jüngsten Wochen entstanden. Doch das ist kein Grund dafür, dass Amazon Games nun nicht ausreichend vorbereitet gewesen ist. Hierbei ist folgendes zu bedenken: Der Konzern hat diverse Streamer engagiert, damit sie Lost Ark spielen, das Ganze im Rahmen eines Events auf Twitch mit entsprechenden Drops. Da ist es irgendwie klar, dass das Spiel große Aufmerksamkeit erhält und zum derzeit am meisten geschauten Titel auf der Plattform geworden ist. Mehr als 370.000 Zuschauer zählt Lost Ark an diesem Montagnachmittag, wo wir gerade diese Zeilen tippen, was sehr beachtlich ist.
Auf die Missetat folgt sogleich die Strafe
Rechnen wir 1 und 1 zusammen: Bekannte Streamer zeigen das Spiel, das grafisch richtig gut aussieht, ein tolles Gameplay und einen riesigen Umfang bietet und noch dazu kostenlos spielbar ist. Wer würde denken, dass es dann nicht zum einem gigantischen Ansturm auf die Server kommt? Nun hat entweder Amazon Games fälschlicherweise mit viel weniger Leuten gerechnet oder der Mutterkonzern hat nicht initial ausreichend Server zur Verfügung stellen wollen, um erst mal nicht zu tief in die Tasche zu greifen. Egal, was von beidem zutrifft, die Situation ist mehr als ärgerlich – sowohl für die Spieler als auch Entwickler Smilegate.
Die Koreaner müssen nun damit leben, dass ihr MMO, das im eigenen Land ein riesiger Erfolg und hochgelobt ist, auf Steam derzeit nur bei ausgeglichenen Nutzer-Reviews steht. Mit 69 Prozent positiven Wertungen ist man zwar nur knapp unter der Grenze zu "Größtenteils positiv", aber wenn Amazon die Situation nicht bald in den Griff bekommt, dürfte Lost Ark sich noch weiter von jener Wertungsregion entfernen. Noch deutlicher ist es auf Metacritic. Die Durchschnittsnote der Presse liegt dort zwar bei einer stolzen 81, der Nutzer-Score jedoch beträgt gerade mal 4.1. Das Spiel selbst hat Letzteres definitiv nicht verdient, so viel können wir nach knapp 30 Stunden Spielzeit schon sagen (ein Artikel zu unseren Impressionen folgt im Verlauf der Woche). Aber es ist vollkommen verständlich, dass die frustrierten Spieler, die nicht auf die Server kommen, ihrer Wut freien Lauf lassen wollen.
Wann wird es besser?
Eine erste Maßnahme hat Amazon Games bereits angekündigt: eine zweite Serverregion für Europa. Das ist gut für Spieler, die noch gar nicht oder kaum spielen konnten. Aber für diejenigen, die so wie wir vergangene Woche im Early Access bereits einige Stunden investiert haben, wird das das Problem wohl kaum lösen. Ein Transfer der eigenen Charaktere und Währungsbestände wird nicht möglich sein. Was es bräuchte, wäre eine Erweiterung der bestehenden Server. Aber Amazon Games hat geschrieben, dass die Eröffnung der neuen Region aufgrund der Architektur von Lost Ark die einzige Option sei. Ja, die Warteschlangen werden vielleicht etwas kürzer, aber wir glauben nicht, dass sie dadurch gänzlich verschwinden werden.
Nun dürften die Probleme allerdings auch nicht ewig anhalten. Zwar ist davon auszugehen, dass sich Lost Ark aufgrund seiner Qualitäten auch hierzulande langfristig am Markt halten wird, doch wären wir sehr verwundert, wenn sich über Wochen und Monate hinweg über eine Million Spieler täglich zeitgleich durch Monsterhorden schnetzeln wollen. Wer jedoch aktuell Lost Ark spielen möchte, braucht vor allem eines: viel Geduld. Und daran dürfte sich zumindest diese Woche noch nicht viel ändern.