Es gibt deutlich mehr als nur einen Shooter unter den kostenlosen Browser- und Downloadgames, doch Team Fortress 2 sticht aus dem Einheitsbrei heraus. Während Genrekollegen wie Battlefield Play4Free den Spieler in namenlose Kampfmaschinen schlüpfen lassen, setzt Team Fortress 2 auf Charaktermodelle, die ihrer Bezeichnung gerecht werden. Spätestens seit Portal ist der Publisher Valve, der Team Fortress 2 vertreibt, dafür bekannt, auch den abstraktesten Gegenständen in seinen Spielen ein glaubhaftes Wesen mit Wiedererkennungswert zu verleihen. Ist das auch diesmal gelungen und kann das Downloadspiel auch bezüglich des Gameplays überzeugen? Oder täuschen Figuren und Design über ein weniger gutes Spiel hinweg? Probieren geht über Studieren, das gilt nicht nur für exotisches Essen, sondern auch für Shooter mit Ego-Perspektive.
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Team Fortress 2 Test: Der Shooter mit Charakter
Who is who?
Schon bevor man zum Gamepad greift beziehungsweise in die Tasten haut, könnte einem der eine oder andere Charakter bereits über den Bildschirm geflimmert sein. Denn Publisher Valve hat jedem der neun Einheitentypen ein kurzes Videoporträt gegönnt, in dem die liebevoll gestalteten Figuren kurz präsentiert werden. Neben Alltagstypen wie dem großmäuligen Scout oder dem australischen Scharfschützen sind auch kauzigere Gestalten wie der Medic, der verrückte medizinische Experimente an Kriegsverwundeten vornimmt, dabei. Mit dem Pyro gesellt sich zu den eher lustigen Figuren auch ein waschechter Psychopath. Der maskierte Soldat mit Flammenwerfer und Axt kennt keine Gnade und schreckt auch vor den grausamsten Untaten nicht zurück. Wie er das ohne menschliche Regung fertigbringt, wird in seinem Kurzfilm deutlich.
Großartig wie die Entwickler es schaffen, den Spieler in der einen Sekunde mit humorvollen Figuren zum Lachen zu bringen und ihm in der nächsten einen kalten Schauer den Rücken runter zu jagen. Wir sind beim Zocken immer wieder zusammengezuckt, wenn wir einem von den maskierten Gestalten über den Weg liefen. Auch spielerisch unterscheiden sich die Klassen deutlich voneinander. Jeder Einheitentyp besitzt eine eigene Waffenkombination, besondere Eigenschaften und einige auch Spezialfähigkeiten.
Neben den klassischen Einheitentypen wie dem Allrounder „Soldat“, dem Tank „Heavy Weapons Guy“ und dem Heiler „Medic“, finden sich auch einzigartige Klassen im Repertoire des Downloadgames. Der „Engineer“ kann zum Beispiel Geschütze und Teleportale aufbauen und so ein Spiel taktisch prägen. Die Geschütze sind schwer zu zerstören und teilen ordentlich aus, was sie zu effektiven Verteidigungsanlagen macht. Durch die Teleportale können sich alle Teamkameraden in Sekundenschnelle von einem Punkt der Map zu einem anderen beamen (vielleicht eine Hommage an Portal?). Doch am besten hat uns der „Spy“ gefallen. Der französische Elitespion ist nicht nur ein Schürzenjäger, sondern hat jede Menge besondere Waffen und Spezialtechniken auf Lager: Mit Revolver und Klappmesser bewaffnet, schleicht er sich hinter die feindlichen Linien und meuchelt Gegner, die sich in Sicherheit wiegen. Als Verkleidungsspezialist kann er die Gestalt jedes anderen Einheitentyps in gegnerischer Farbe annehmen, oder er macht sich dank High-Tech-Uhr kurzzeitig völlig unsichtbar, um sich an sein Ziel heranzuschleichen. Außerdem trägt er einen „Zapper“ mit sich - ein Gerät, mit dem er Geschütze überladen und so zerstören kann. Damit ist der Spion vor allem für Support-Klassen, die sich eher im Hintergrund eines Gefechts halten, gefährlich.
Die ersten Schritte
Team Fortress 2 ist ein Downloadgame und über das Online-Vertriebsportal Steam erhältlich, wer also losballern will, muss vorher noch ein wenig Registrierungs- und Installationsgeplänkel über sich ergehen lassen. Sobald ihr alle Vorbereitungen getroffen und das Spiel gestartet habt, gelangt ihr in das Menü, die Schaltzentrale des Spiels. Eigentlich ist Üben was für Weicheier, aber wir wollten vorbereitet in die Schlacht ziehen. Für diesen Fall bietet der Shooter einen Trainingsbereich. Neben einem klassischen Übungsplatz, in dem ihr in drei der sieben Modi offline gegen NPCs eure Fähigkeiten perfektionieren könnt, gibt es für die blutigen Anfänger auch einen Tutorialbereich.
Statt jedem neuen Spieler ein langwieriges Tutorial mit Erklärungen zu noch so simplen Vorgängen aufzuzwingen, bietet euch der Entwickler im Spiel die Hilfestellung nur an. Solltet ihr euch für eine Einweisung entscheiden, gibt's ein paar Erklärungen, dann dürft ihr selbst ran. Dadurch finden Neulinge einen schnellen Einstieg und alte Shooter-Hasen oder Spieler des Vorgängers werden nicht abgeschreckt. Sobald ihr euch sicher fühlt, könnt ihr euch in die Schlacht stürzen.
Auf in die Schlacht!
Genug gequatscht, genug gedownloadet und genug geübt, ran die Waffen, es geht in die Schlacht! Wenn ihr mit Freunden zocken wollt, könnt ihr einen bestimmten Server wählen. Wer (wie wir) keine Freunde hat, stürzt sich einfach blind in einen beliebigen Server. Anschließend habt ihr die Wahl zwischen sieben Spielmodi, in denen ihr jeweils unterschiedliche Ziele erfüllen müsst, wenn auch stets im Team. In dem Spielmodus "Frachtbeförderung" zum Beispiel, muss ein Team eine Lore über mehrere Zwischenpunkte zu einer Endstation bringen, das gegnerische Team muss das verhindern.
Die Lore bewegt sich automatisch vorwärts, sobald sich Mitglieder des blauen Teams in direkter Nähe befinden. Je mehr Blaue um den Wagen herumschwirren, desto schneller bewegt er sich. Hat sich die Lore 30 Sekunden lang nicht bewegt, fängt sie an rückwärts zu rollen. Außerdem heilt sie Spieler des Teams, das sie befördern muss und füllt deren Munition auf. Das Lorenteam muss das Schienenfahrzeug dabei in einer bestimmten Zeit ins Ziel schieben, für jeden passierten Kontrollpunkt erhält es zusätzliche Minuten. Vor allem verteidigungsstarke Charaktere wie der Engineer oder der Heavy Weapons Guy sind dem Team, das die Lore stoppen soll, dabei von Nutzen. Die Angreifer sollten sich auf den großflächig Schaden anrichtenden Demoman und Spys, die den Weg von hinten räumen, verlassen. Taktik ist in Team Fortress 2 keine Floskel, sondern essenziell. Das „Frachtrennen“ ist an die Frachtbeförderung angelehnt, allerdings gibt es hier sowohl eine rote als auch eine blaue Lore.
Wer seinen Schienenwagen schneller über die Schienenstrecke schiebt, gewinnt. Allerdings fahren die Loren in diesem Modus nicht rückwärts und es gibt keine Zeitlimits.
Unser absoluter Lieblingsmodus ist jedoch kein kompetitiver, sondern ein kooperativer. "Mann vs. Machine" ist der einzige reine Coop-Modus des Spiels, bei dem nicht eine Gruppe Spieler gegen ein andere antritt, sondern eine Gruppe Spieler gegen die KI. Dabei müssen die Spieler verhindern, dass eine Horde mechanischer Doppelgänger der Team Fortress 2 Charakerklassen eine Bombe in einen Schacht befördert, um das HQ der Truppe zu sprengen. Ähnlich wie im Capture-the-Flag-Modus trägt zu Anfang in jeder der acht Angriffswellen ein blecherner Gegner die Bombe auf dem Rücken. Wird der Träger erschossen, lässt er die Bombe fallen, woraufhin sie von jedem anderen KI-Gegner wieder aufgenommen werden kann. Jeder getötete Gegner, ob Bombenträger oder nicht, hinterlässt nach seinem Tod einige Geldbündel. Nimmt einer das Geld auf, wird es unter allen Spielern gleichermaßen aufgeteilt und kann anschließend im HQ in verschiedene Upgrades investiert werden. Als gewonnen gilt ein Match, sobald alle Gegnerwellen vernichtet wurden.
Der Modus macht deshalb so viel Spaß, weil er die chaotische Action von Team Fortress 2 in geordnete Bahnen lenkt. Im Gegensatz zu den anderen Spielmodi, müssen wir hier nicht so sehr auf unseren Rücken achten, sondern können uns voll und ganz auf das gemeinsame Ziel konzentrieren. Im Laufe eines der Matches, die wir für diesen Test bestritten haben, haben wir mit einem wildfremden Spieler spontan eine Taktik entwickelt. Wir suchten uns den engsten Punkt der Maschinenroute durch die Map, zwischen zwei Gebäuden. Als die KI auf uns traf, deckten wir sie als Heavy Weapons Guy mit einer flächendeckenden Salve ein, während unser Partner als flinker Scout durch die Gegner flitzte und mit seinem Baseballschläger den angeschlagenen Blechbüchsen den Todesstoß versetzte. Im Chaos der anderen Modi wäre diese Zusammenarbeit höchstwahrscheinlich nicht zustande gekommen Außerdem bietet das Upgrade-System eine komprimierte und kurzweilige Variante des Ausrüstungsmenüs im Hauptmenü.
Alles eine Frage der Technik
Die Grafik des Spiels ist hochwertig, wobei Fehler bei der Comic-Optik natürlich weniger schnell ins Auge fallen als bei einem realistischen Look. Während unseres Tests haben sich, bis auf einen kurzen Lag, der bei der großen Anzahl an Servern wohl zu verschmerzen ist, keinerlei Technikprobleme bemerkbar gemacht. Die Animationen sind sogar so flüssig, dass uns nach einer Stunde hektischer Action und Kameraschwenks in Ego-Perspektive ein wenig schwindelig wurde. Wer also keine Erfahrung mit First-Person-Shootern hat, dem könnte nach einiger Zeit flau im Magen werden. Die Steuerung dürfte jedem, der sich bereits an das Genre herangewagt hat bekannt sein: "w","a","s" und "d" nutzt ihr zur Fortbewegung, rechte und linke Maustaste zum Anlegen und Schießen, das Mausrad um die Waffe zu wechseln. Allerdings könnt ihr alle Tasten im Menü frei nach eurem Gusto belegen, oder sogar mit einem Xbox 360 Gamepad steuern.
Ein Kreativspielplatz
Fernab von Action und Ballerei bietet Team Fortress 2 viele weitere Features, die das Spiel noch vielschichtiger machen. Über den „Gegenstände“-Button im Startmenü gelangt ihr in die Ausrüstungszentrale. Hier könnt ihr im Spiel freigeschaltete oder im Onlineshop gekaufte Items verwalten und eure Charakterklassen damit ausrüsten.
Die Gegenstände sind meistens Kleidungsstücke, Werkzeuge oder Waffen und haben unterschiedliche Auswirkungen auf euer Spiel. Bestimmte Items lassen sich auch zu völlig neuen Ausrüstungsgegenständen verschmelzen. Einige sind nur Dekoration, andere erhöhen bestimmte Charakterwerte des jeweiligen Einheitentyps und wieder andere schalten spezielle Herausforderungen während eines Spiels frei. Das „Duell Minispiel“ ermöglicht es euch zum Beispiel, einen Gegner zum Kill-Wettstreit herauszufordern. Habt ihr am Ende des Spiels mehr Kills als der Herausgeforderte, erhaltet ihr eine Auszeichnung. Alle Gegenstände, auch die Kombostücke, sind detailliert in einer Datenbank beschrieben, die über das Gegenständemenü jederzeit eingesehen werden kann. Für angehende Web- und Graphikdesigner oder die, die es werden wollen, gibt es die Möglichkeit eigene Gegenstände zu modellieren und einzusenden. Falls eines eurer Modelle Anklang findet, könnte es bald darauf über den Onlineshop für alle Spieler zu kaufen sein. Ihr erhaltet dann vom Spielbetreiber sogar eine Gewinnbeteiligung. Außerdem könnt ihr eure Heldentaten in der Schlacht ausführlich in Bild- und Videoform dokumentieren. Die Mitschnitte könnt ihr anschließend bearbeiten und auf eurem Computer speichern. Als i-Tüpfelchen haben die Macher des Team-Shooters einen ganz besonderen Entwicklerkommentar beigepackt: Als Scout lauft ihr über eine spezielle Map, auf der kleine Sprechblasen verteilt sind. Schießt ihr auf die sich drehenden Symbole, wird ein Audiokommentar eines Entwicklers zu einem Spielelement von Team Fortress 2 getriggert.
Team Fortress 2 Bewertung
- liebevoll ausgearbeitete und designte Charaktere mit Hintergrundgeschichten
- sympathische Comic-Optik
- eingängige Steuerung
- umfangreicher, freiwilliger Tutorial-/Übungsbereich
- einfach zu lernen, schwer zu meistern
- abwechslungsreiche Klassen, Levels und Modi
- Kreativelemente für Hobbyzocker und Profis
- keine technischen Mängel oder Bugs
- hohes Tempo anstrengend für Einsteiger
- Ladezeiten bis zu 30 Sekunden
- Premiumausrüstung nur gegen echtes Geld
- kein Teamspeak/Livechat
Wertung
- Grafik: 80 von 100
- Einstieg/Handling: 85 von 100
- Abwechslung/Spielspaß: 95 von 100
- Sound: 85 von 100
- Originalität: 90 von 100
Gesamtwertung: 87 von 100
Fazit
Team Fortress 2 ist ein durchgeknallter, actionreicher und blitzschneller First-Person-Shooter, wahrscheinlich einer der Besten im Free-2-Play-Bereich. Wer Schusswechsel mit Tempo und Abwechslung sucht, stößt hier auf Gold. Kaum ein Genrekollege bietet so viel spielerische Abwechslung und einzigartige Features wie das Downloadspiel von Valve. Eine deftige Portion Humor wertet das technisch und spielerisch einwandfreie Spiel zusätzlich auf. In welchem anderen Onlinegame könnt ihr die Brandverletzungen eurer Mitspieler heilen, indem ihr sie mit dem Urin übergießt, den ihr als lauernder Scharfschütze sammelt? Manch einer mag den legeren Umgang mit Gewalt und die Comic-Grafik als plump und einfallslos abtun, aber sie passen perfekt zu den grotesken Figuren der Spielwelt und fügen sich nahtlos in den ironischen Grundtenor des Spielkonzepts ein.