Deepwater Horizon, Wirbelsturm Katrina oder das Bienensterben vor der Haustür – Umweltschutz wird ja längst nicht mehr als "Freizeitbeschäftigung für durchgeknallte Baumschmuser und Öko-Hippies" belächelt. Mit Ocean Hero hat Entwickler Trollgames ein Projekt für alle Naturschützer veröffentlicht, und im ersten Moment dachte ich: "Toll, dass sich endlich mal jemand dem Thema widmet!" Höchste Zeit, dass Tierschutz und Artenvielfalt auch in der Welt der Browserspiele auftauchen und nicht bloß als neues Feature für den Online-Zoo herhalten. In der realen Welt sind Organisationen wie Greenpeace, BUND und NABU aus dem öffentlichen Diskurs nicht mehr wegzudenken. Sie tragen als Ansprechpartner für Medien und Politik zu einer kontroversen Debatte in Sachen Klimawandel und Artenschutz bei. Auch die Allgäuer Spieleentwickler sind stolz darauf, mehrere Partnerschaften für Ocean Hero verkünden zu können, darunter die engagierten Tierschützer von Sea Shepherd und die Plastic-Planet-Macher. Das Ganze wurde dann noch lustig verpackt mit niedlicher Grafik...Hört sich doch alles vielversprechend an! Richtiger Tierschutz im Browsergame also?
- home
- ocean-hero
stephan-bloggt-zu-ocean-hero-naturschutz-fuer-kuscheldecken-liebhaber
Stephan bloggt zu Ocean Hero: Naturschutz für Kuscheldecken-Liebhaber
Wenn schon, denn schon
Schnell kam der erste Dämpfer für meine anfängliche Euphorie: In "liebevoll gestalteter Comic-Grafik" "verletzte Delfine heilen und süße Robbenbabys beschützen" und den Spieler so "zu einem bewussteren Umgang mit unserer Umwelt bewegen" sind nicht gerade die Aktionen, die den Meeresspiegel sinken lassen oder das Ozonloch schließen. Die Macher von Ocean Hero schwingen sich trotz ähnlich lautendem Titel eben nicht selbst zum Ozeanretter auf und erheben auch nicht den Anspruch, sich mit dem Spiel für die Rettung des Planeten einzusetzen. Sie wollen lediglich auf lustige Art und Weise "auf die drohende Ausrottung vieler Tierarten aufmerksam machen", so der Wortlaut in einer Pressemitteilung. Also eher was für Leute, die lieber in der kuschligwarmen Decke vor dem Bildschirm virtuelle Wale retten als draußen Waldsterben und Co. Einhalt zu gebieten.
Aber reicht das? Wenn schon, denn schon! Oder nicht? Das Spiel mit der Comic-Grafik sieht zwar niedlich aus, und nicht wenige werden bei einem Krankenschwester-Seepferdchen in Entzücken ausbrechen. Aber ob Wilddiebe in den Kochtopf zu stecken und Meerjungfrauen vor gierigen Lasso-Schwingern zu schützen junge Spieler für das Thema Umwelt-Piraterie sensibilisiert, bleibt mal mit einem Fragezeichen im Raum stehen. Genau das hat sich Trollgames doch aber auf die Fahnen geschrieben.
Natürlich beschäftige ich mich auch mit anderen Sachen in Ocean Hero: Meerestiere pflegen beispielsweise. Oder den bösen Walfänger (immer wieder) für immer vertreiben. Und es stimmt auch, dass ich im Spielverlauf auf Problemfelder aufmerksam gemacht werde, die ich so vielleicht gar nicht auf dem Schirm haben könnte. Wie Wasserverschmutzung durch Öl oder die Schwierigkeiten, denen Schildkrötenbabys begegnen. Ich vermisse aber Hintergrundinfos oder überhaupt eine intensivere Auseinandersetzung, die über einzelne Sätze à la "Halte den Fischer davon ab, die Küsten leerzufischen" hinausgehen. Das ist es aber doch, was Trollgames wollte! Den Bezug zur Realität herstellen. Schlimmer noch: Ein kontroverser Umgang mit den Themen fehlt völlig.
Ist das Aufklärung?
Schwarzweißmalerei dieser Art zementiert vielmehr pauschale Stereotypen. Ich verurteile Robbenjagd und Walfang aufs Schärfste. Aber dass wir Europäer mit unserem Konsumverhalten und einer der größten Fischfangflotten der Welt die Ozeane viel mehr entvölkern als alle japanischen Walfänger zusammen ist auch eine Schweinerei. Unschöne Wahrheiten dieser Art muss man in einem lustigsüßen Spiel nicht thematisieren. Aber irgendeine Relativierung oder Einordnung hatte ich schon erwartet, nicht immer nur dieses Schwarzweiß. In Ocean Hero heißt es nur, Gutmenschen auf Tropeninsel versus bösartige Fischer. Als ob jeder, der auf einem Kutter arbeitet, passionierter Tierquäler wäre. Und auch der von mir so verhasste virtuelle Tierpark ist da.
Im Spielverlauf wird der eigene Zoo aus Ozean-Lieblingen immer größer? Super! Retten wir also fleißig Wale, lassen sie danach frei, nur damit immer mehr Säuger vor unserer Station stranden! Was ist das für eine Logik? Für mich hört sich das so an: In den realen Tierparks dieser Welt herrschen in der Regel alles andere als traumhafte Zustände, erschaffen wir also zumindest virtuell ein Paradies für Schildkröte, Robbe und Co. Jippieh! Im Spiel selbst erkenne ich von der Kooperation mit realen Tierschutzorganisationen nichts mehr.
Man verzeihe mir den Zynismus. Wahrscheinlich sehe ich das alles ja viel zu eng. Klar kann man ein lustiges Onlinespiel zu ernsten Themen entwickeln und natürlich gehört Umweltschutz nach wie vor auf die Agenda von Politik, an den Stammtisch und in die Gute-Nacht-Geschichten. Besser so als gar nicht? Kann sein. Wenn man aber mit dem Anspruch herangeht, ein Stück weit zur Aufklärung und Sensibilisierung beizutragen, sollte man meiner Meinung nach nicht derart mit Klischees und Stereotypen arbeiten. Spiel hin oder her. Wer ein heißes Eisen anpackt, kann sich auch schnell verbrennen.