Seit einem Jahr beweist Genshin Impact, dass sich Singleplayer und das Free-to-Play-Modell nicht ausschließen müssen.
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Mehr Einzelspieler-Free-to-Play-Spiele, bitte!
Am 28. September 2020, also heute vor fast genau einem Jahr, startete die Erfolgsgeschichte von Genshin Impact – herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag! Das kostenlose Action-Rollenspiel des chinesischen Entwicklers miHoYo hatte vorab schon mit Gameplay-Szenen und dem Versprechen, eine Art "The Legend of Zelda: Breath of the Wild"-Alternative für PC- und PS4-Zocker zu sein, für die sie von Haus aus nichts bezahlen müssen. Es gab viele Leute, die den Release herbeigesehnt haben, weil das alles so vielversprechend aussah. Aber dass Genshin Impact so ein durchschlagender Erfolg und noch dazu wirklich ein richtig gutes Spiel werden würde, damit hat sicherlich nicht jeder Gaming-Fan gerechnet.
Klar, Genshin Impact ist nicht ganz unkritisch zu betrachten. Die Gacha-Mechanik, die miHoYo reichlich Geld in die Kasse spült, ist durchaus bedenklich. Die Chinesen führen ständig neue, coole Charaktere ein, doch um die zu bekommen, braucht ihr entweder enorm viel Geduld und Glück oder viel Geld (und selbst dann auch immer noch Glück). Aber wir müssen festhalten, dass ihr Genshin Impact wunderbar von A bis Z spielen könnt, ohne auch nur einen Cent ausgeben zu müssen. In der jetzt schon riesigen Open World, die in den kommenden Jahren noch deutlich ausgebaut wird, gibt es keine Inhalte, vor denen eine sprichwörtliche Pay-Wall steht.
Ein optionaler Koop-Modus macht noch kein Multiplayer-Spiel
Das Besondere an Genshin Impact ist aber, dass es ein Singleplayer-Spiel ist und trotzdem auf ein Free-to-Play-Modell setzt. So was ist eine absolute Seltenheit und wir kennen keinen anderen Titel in dieser Sparte des Marktes, in dem ihr so unabhängig von anderen Spielern seid. Zwar ist es nicht möglich, Genshin Impact offline zu zocken, weshalb es eben doch ein Online-Spiel ist, und ihr könnt auch gemeinsam mit Freunden die Open World erkunden und Dungeons spielen. Aber im Herzen ist das Ganze eine Einzelspielererfahrung.
Das wird allein schon daran deutlich, dass ihr einen Teil der tollsten Inhalte von Genshin Impact überhaupt nicht im Koop erleben könnt. Die Hauptgeschichte muss jeder für sich erleben. Gleiches gilt für die Story-Missionen, also die Aufträge, die sich um die spielbaren Charaktere drehen. Lediglich Welt-Quests könnt ihr zusammen mit anderen Spielern angehen. Darüber hinaus dürft ihr Koop-Modus mit einigen NPCs gar nicht sprechen, darunter sogar Händler.
Andere Spiele dieser Art kosten den Vollpreis
Es ist klar, dass der Multiplayer in Genshin Impact lediglich ein Bonus ist. Die meiste Zeit ist man in Teyvat allein unterwegs und das ist alles andere als langweilig. Der Titel ist nicht weniger ein Story-Erlebnis als ein Assassin's Creed oder Horizon Zero Dawn. Die Hauptgeschichte wird mit vielen vertonten Dialogen und Zwischensequenzen inszeniert und auch die ganzen Story- und Welt-Quests haben einiges zu erzählen.
Obendrein macht die Erkundung in Genshin Impact mehr Spaß als in den oben genannten Spielen westlicher AAA-Studios, weil die Spielwelt sehr dicht gefüllt ist und wir auf Nebenquests nicht durch entsprechende Marker auf der Karte aufmerksam gemacht werden. Wie oft wir uns in den Kopf gesetzt haben: "So, jetzt ist diese Mission an der Reihe", dann in die entsprechende Richtung gelaufen sind und schneller vom Weg abkamen, als wir bis 3 zählen konnten, weil irgendwas Interessantes in der Ferne unsere Neugierde weckte.
Genshin Impact ist etwas Besonderes
Genshin Impact ist – rein auf seine spielerischen Qualitäten bezogen – eines der unterhaltsamsten Singleplayer-Open-World-Spiele der jüngeren Vergangenheit. Zugleich ist es im Gegensatz zu jedem Assassin's Creed und einem The Legend of Zelda: Breath of the Wild kostenlos spielbar. Vorher hätten wir niemals gedacht, dass es so ein Erlebnis im Free-to-Play-Format geben würde.
In unseren Köpfen ist das Geschäftsmodell eng mit Multiplayer-Konzepten verbunden. Ok, in einem Forge of Empires bauen wir allein unsere Stadt auf, aber die ist nun mal Teil einer Online-Welt. In Destiny 2 können wir solo durch die Gegend streifen und Story-Missionen absolvieren, auf lange Sicht kommen wir um die Zusammenarbeit mit anderen Spielern nicht herum (man denke nur an die Strikes und Raids). Der Singleplayer ist hier nicht das Herz des Spiels.
Nachahmer, möget ihr kommen!
Nun hat Genshin Impact eindrucksvoll bewiesen, dass ein Free-to-Play-Einzelspielerabenteuer mit viel Story sowie einer liebevoll gestalteten Open World funktionieren kann und nicht zwingend für 40, 50, 60, 70 oder (in Sonys Augen) gar 80 Euro im Laden angeboten werden muss. Daher unser Aufruf an die Videospielbranche: Wir wollen mehr davon! Klar, wir haben kein Problem damit, für gute, gehaltvolle Spiele den Vollpreis zu bezahlen. Sicherlich hat Genshin Impact auch nicht den Produktionswert eines Assassin's Creed Valhalla, The Witcher 3: Wild Hunt oder GTA 5.
Es wird sich vermutlich auch niemand der großen Hersteller so schnell trauen, einen solch hochwertigen Titel kostenlos anzubieten und lediglich für kosmetische Items oder Komfortfunktionen Geld zu verlangen. Aber ein gutes Spiel muss nicht zwingend auf dem höchsten AAA-Niveau sein, auch dafür ist Genshin Impact ein guter Beweis. Viel wichtiger ist eben, dass die Entwickler genug Leidenschaft investieren und Welten erschaffen, die man gerne erkundet, weil sie und ihre Inhalte eben nicht generisch wirken.
Nicht jede Art Spiel ist geeignet
Wir wünschen uns übrigens nicht bloß Spiele mit offenen Welten. Im Grunde wäre auch etwas im Format der ersten drei "Mass Effect"-Teile vorstellbar mit kleineren Umgebungen und noch größerem Fokus auf die Geschichte, ohne eine komplett lineare Erfahrung zu sein. Klar ist aber auch: Ein Free-to-Play-Spiel muss sich "leicht" erweitern lassen. Sonst haben die Spieler es irgendwann durchgespielt und wenden sich dann davon ab, was in einbrechenden Einnahmen für den Hersteller resultiert. Und damit die Entwickler ausreichend Zeit haben, muss das Grundspiel schon genug Inhalt bieten, der die Spieler lange beschäftigt.
Deshalb eignet sich ein linearer Ego-Shooter im Stil einer "Call of Duty"-Kampagne sicherlich weniger für ein Free-to-Play-Spiel ohne Multiplayer-Fokus. Aber ein Titel à la Mass Effect lässt sich auf 30, 40 oder gar 50 Stunden ausdehnen (ohne dass Story und Pacing darunter leiden) und dann um weitere Kapitel ergänzen. Ja, Letzteres ginge auch bei einem linearen Shooter, aber mal ehrlich: Niemand will doch eine 40-Stunden-CoD-Kampagne spielen, oder?
Wenn nun also Hersteller wie Ubisoft bereits ihren Open-World-Singleplayer-Spielen den Servicegame-Stempel aufdrücken und In-Game-Shops einbauen, dann können sie diese Titel auch gerne gleich als Free-to-Play-Produkte vermarkten. Dass das reicht, um sehr viel Geld einzuspielen, hat Genshin Impact gezeigt. Also los, liebe Hersteller: Worauf wartet ihr?!