Nur wenige Tage befand sich Dragon Nest in der Closed Beta, danach kam der offizielle Startschuss für die europäischen Server. Seit dem 6. März steht das Anime-Rollenspiel für alle Spieler offen, gefeiert wurde dieser Anlass mit Events und Geschenkpackungen. Nun wollen auch wir einen Blick in das Onlinegame werfen und überprüfen, was es mit dem scheinbar beliebten Spiel auf sich hat. Nach Tera und Star Wars - The Old Republic befindet sich also wieder mal ein etwas kindlicheres MMORPG auf dem Prüfstand unserer Redaktion. Steckt hinter der bunten Fassade möglicherweise ein actionreicher Titel? Das wollen wir herausfinden.
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Dragon Nest Test: Kampflustige Kinder auf holpriger Abenteuerreise
Brandstiftung im Fantasy-Wald
Um uns ein Bild von Dragon Nest zu machen, erstellen wir eine Heldin. Was die Klassenauswahl betrifft, erwarten uns kaum Überraschungen. Derzeit stehen uns der Krieger, der Priester, die Magierin und die Bogenschützin zur Verfügung. Wirklich viel Spielraum haben wir da (noch) nicht, eine Spezialisierung kommt erst mit späterem Level. Auf den sogenannten "Tinkerer" haben wir keinen Zugriff, da es die Klasse vorerst nur auf dem nordamerikanischen Gameclient gibt. Da wir aber sowieso gerne mit dem Feuer spielen und immer wieder mal heimlich im Büro zündeln (shh...), entscheiden wir uns für die sagenumwobene Zauberdame und tauchen in die Welt von Altera ein.
Ärgerlicherweise steht es uns nicht frei, das Geschlecht unserer Spielfigur zu ändern und wir müssen uns mit einem vorgegebenen Charakter zufrieden geben. Lediglich das Aussehen lässt sich anpassen, wobei man hier - anders als in Star Wars - nicht wirklich von einer großen Auswahl sprechen kann. Die laszive Gestik unserer Magierin schmerzt zwar etwas in den Augen, wird aber erstmal ignoriert. Immerhin wollen wir (fast) objektiv an Dragon Nest rangehen!
Kämpfen will gelernt sein
Nach der Charaktererstellung erwartet uns ein angenehm kurzes Tutorial. In knappen Tipps und Tricks werden wir in die grundlegende Mechanik eingeführt und lernen die beste Taktik, um Hindernisse zu umgehen, feindlichen Angriffen auszuweichen oder niedergeschlagenen Monstern zusätzlich eins auszuwischen. Eine kurze Videosequenz zeigt uns die frostige Welt des Online-Rollenspiels, danach geht's gleich ans Kämpfen. Offenbar haben fiese Eisgoblins einen Kleriker umgehauen und nun liegt es an uns, den geistlichen Bruder zu retten. Das ist ziemlich einfach: Ein Feuerball hier, ein magisches Geschoss da und schon liegen die blauen Kreaturen am Boden. Easy peasy lemon squeezy! Wie sich herausstellt, stoßen wir erst mit den späteren Instanzen auf eine wirkliche Herausforderung.
Instanzierter Spaß für einsame Krieger
Apropos Instanzen - in Dragon Nest ist absolut jede Quest instanziert. Das bedeutet, dass wir für jede Aufgabe ein extra Portal betreten, das uns in eine eigens für uns erstellte Welt führt. Leider haben wir somit keine Möglichkeit, zufällig auf andere Spieler zu treffen, außer wir befinden uns in einer Stadt oder erkundigen uns über die Suchfunktion nach abenteuerlustigen Gruppenmitgliedern. Am Ende einer Instanz erwartet uns eine Wertung - Punkte gibt's für erfolgreiche Combos, getötete Bosse, verursachten Schaden und die Zeit, in der wir durch den Dungeon düsen. Somit zockt sich Dragon Nest anders als klassische MMORPGs und erinnert ein bisschen an Spieleautomaten - inklusive kurzweiligen Leveldesigns. Auch die Belohnung wird anders gehandhabt: Abgesehen von dem üblichen Loot dürfen wir uns nach getaner Arbeit ein zusätzliches Geschenk aussuchen. Was wir kriegen, wird nach einem Zufallsprinzip bestimmt. Die Dungeons sind übrigens nicht an die Aufgaben gebunden und können jederzeit wiederholt werden - sollte es zum Beispiel in Sachen Erfahrung, Geld oder Loot mal zu einem Engpass kommen.
So weit, so gut: Wir betreten eine Instanz, erledigen die Aufgabe, beamen uns wieder zurück. Probleme treten nur dann auf, wenn wir ein angefangenes Abenteuer vorzeitig verlassen möchten, denn das verringert die Haltbarkeit unserer Gegenstände und treibt die Reparaturkosten in die Höhe. Eine Sache, die für Einzelspieler zwar weniger toll ist, aber im Mehrspielermodus faire Verhältnisse schafft. So überlegen es sich ungeduldige Spieler vermutlich zwei Mal, bevor sie abhauen und ihre Gruppe im Stich lassen - und das finden wir gut. Als Entschädigung dafür haben wir nach jedem Dungeon die Möglichkeit, unsere Spielfigur kostenlos in die nächstgelegene Stadt zu teleportieren. Ein Hoch auf träge Helden!
Bald kommt die Eintönigkeit
So nett Dragon Nest auch sein mag, mit der Zeit wird das Gameplay leider etwas langweilig. In dem Anime-MMORPG kommt es mehrmals dazu, dass wir in dieselbe Pampa geschickt werden, nur um unterschiedliche Quests abzuschließen. Die Aufgaben funktionieren nach moderner Rollenspiel-Manier: Ständig laufen wir hin und her, um mit NPCs zu reden, Informationen auszutauschen und in der Hauptgeschichte weiterzukommen. Zwar helfen Dungeons dabei, das festgefahrene System etwas aufzulockern, aber die werden mit der Zeit etwas eintönig.
Zusätzliche Aufgaben finden wir auf Missionstafeln, die in der Welt von Altera verteilt sind. Das Problem dabei ist allerdings, dass wir immer nur eine Mission annehmen können, anstatt mehrere gleichzeitig zu machen. Was anfangs nicht weiter schlimm ist, entpuppt sich später als frustrierende Einschränkung. Nichtsdestotrotz kämpfen wir wagemutig gegen Orks, Harpyien und Fledermäuse und orientieren uns an wegweisenden Pfeilen, die praktischerweise in die Benutzeroberfläche eingebaut sind. So wissen wir jederzeit, wohin uns die Reise führt.
Faire Verhältnisse
Auf der Suche nach Abwechslung stoßen wir auf das Kolosseum. Dort treffen sich nämlich Spieler aus aller Welt, um gegeneinander anzutreten. Im PvP sind wir zwar nicht geübt, trotzdem wollen wir uns an einem Arenakampf versuchen. Für den Test haben wir das Onlinegame jedoch zu etwas untypischen Uhrzeiten angespielt, was sich leider in leeren Kampfbahnen bemerkbar macht. Wirklich viel Action gab's für uns also nicht, aber trotzdem wird gleich klar: Hier zockt es sich anders als gegen normale Monster. Schnelle Reaktionen, Kombinationen und Ausweichmanöver sind nicht nur erwünscht, sondern Pflicht. Hochstufige Helden haben im Kolosseum keine Chance, sich auf ihren Lorbeeren auszuruhen, denn alle Teilnehmer werden auf etwa dasselbe Niveau gestuft. Das bedeutet, dass wir mit unserer kleinen Magierin gegen einen Schwertmeister antreten können, der bereits die Maximalstufe erreicht hat. Den Sieg tragen wir dann nach Hause, wenn wir besser als unser Gegenüber spielen. Das schafft faire Verhältnisse, die übrigens auch im internen Shop herrschen. Denn pay-2-win Items gibt es in Dragon Nest keine. Bis auf die Rolle der Wiederbelebung - die zudem auch in Geschenkpaketen stecken - finden wir keine Gegenstände, die uns einen entscheidenden Vorteil verschaffen.
Individuelle Gestaltung? Sehr gerne!
Beim Leveln spielen wir diverse Punkte frei, die es im Talentbaum zu verteilen gilt. Aktive Fähigkeiten zaubern wir zu jedem beliebigen Zeitpunkt - außer, uns fehlt das dafür notwendige Mana. Zusätzlich dazu lernen wir jede Menge passive Skills, die zwar nicht bunt britzeln, aber ebenso wichtig sind. Das Skillsystem ist zwar nicht sonderlich komplex, aber auf angenehme Weise übersichtlich und einfach zu verstehen. Mit Stufe 15 entscheiden wir uns dann für den weiteren Werdegang unseres Charakters. Bei der Magierin haben wir die Wahl zwischen Elementalist oder Arcanist. Laut offizieller Webseite sind zusätzliche Spezialisierungen geplant, die im Endgame für weitere Auswahl sorgen sollen.
Auf unserem Abenteuer finden wir nicht nur diverse Rüstungsteile, Waffen oder Hühnerschenkel - auch Juwelen laufen uns immer wieder mal über den Weg. Zu Beginn können wir mit den funkelnden Edelsteinen, die langsam unser Inventar verstopfen, noch nicht viel anfangen. Erst in Kraterstein, der zweiten Stadt, finden wir Verwendung für die Schmuckstücke: Ähnlich wie in World of Warcraft handelt es sich bei Glyphen um magische Verbesserungen, von der unsere Spielfigur profitiert. Je höher die Stufe, umso mehr Glyphen und Bonus-Attribute stehen zur Auswahl. Ein nettes Feature, das Spielraum für Character Customization - also die Anpassung des Charakters an den persönlichen Geschmack - eröffnet.
Augen zu und durch
Schnell stellt sich heraus, dass vermutlich nicht viel Geld in die Lokalisierung investiert wurde. Derzeit gibt es für den Free-to-Play-Titel nämlich noch keine deutsche Synchronisation (Untertitel müssen reichen!) und auch die textuelle Sprachausgabe ist etwas holprig. Obwohl wir seltsame Satzkonstruktionen und fehlende Buchstaben in einem fertigen Spiel nicht gerne sehen, können uns die Macher des Online-Rollenspiels mit Charme überzeugen, denn die Übersetzung hat trotzdem etwas Liebenswertes an sich. So doof die Texte auch klingen mögen - gerade weil uns manche Dialoge zum Schmunzeln bringen, sind wir motiviert, die Gespräche zu verfolgen und nicht einfach wegzuklicken, sobald sich ein Textfenster öffnet.
Wir hoffen inständig, dass wir in Dragon Nest als Gnom spielen. Denn die Vorstellung, dass sämtliche Charaktere in Wirklichkeit minderjährig sind, lässt uns einen kalten Schauer über den Rücken laufen. Um dem typischen Anime-Look gerecht zu werden, tragen weibliche Charaktere, optisch also junge Mädchen, hochhackige Schuhe und posieren manchmal etwas… suggestiv. Als Games-Redakteurin erlebt man aber durchaus schlimmere Dinge (hust Scarlet Blade hust), deswegen drücken wir ein Auge zu und versuchen die knappen Outfits zu ignorieren.
- Nette Geschichte...
- Kindliche Grafik...
- Spannendes Kampfsystem..
- ... aber holprige Übersetzung.
- ... aber hypersexualisierte Figuren.
- ... aber mit der Zeit etwas eintönig.
Fazit
Anders als der Name vermuten lässt, hat Dragon Nest kaum etwas mit Drachen zu tun. Nur in hochstufigen Raids geht es darum, die Brutstätten der feurigen Echsen zu plündern. Zwar gibt's für eintönige Quests und die etwas veraltete Grafik Punkteabzug, dafür schleicht sich das kostenlose Rollenspiel in Design, Story und Anfängerfreundlichkeit in die Herzen der Genre-Fans. Auch wenn wir uns äußerlich nur wenig von anderen Spielern unterscheiden, gestalten wir die Talente unserer Figur individuell - innerhalb bestimmter Rahmenbedingungen, versteht sich. Weniger gut finden wir, dass uns instanzierte Dungeons komplett von der Außenwelt abgrenzen. Da ist nichts mit freundlichem Teamwork oder zufälligem Kennenlernen von Leuten - beides Dinge, die für ein MMORPG typisch sind. Somit entpuppt sich Dragon Nest nach längerem Spielen eher als Game für mutige Einzelgänger, während leidenschaftliche Onlinezocker wohl besser eigene Freunde mitbringen sollten. Ob einem der Anime-Look dann gefällt oder nicht, ist Geschmackssache.